Auf der Alp Nurdagn am Schamserberg im Kanton Graubünden ist eine Mutterkuh von mehreren Wölfen angegriffen und getötet worden. Der Amtsleiter für Jagd und Fischerei sagt im Interview mit SRF, wie aussergewöhnlich ein solcher Riss ist – und weshalb das aktuelle Wolfsmanagement in diesem Fall für ihn wenig Sinn ergebe.
SRF News: Eine Mutterkuh wurde von einem Wolf gerissen. Was ist genau passiert?
Adrian Arquint: Im Gebiet des Beverin-Rudels, das wir schon mehrere Jahre kennen, hat gestern Morgen der Hirte der Alp eine tote Kuh auf der Weide festgestellt. Und weil er den Verdacht hatte, dass diese Kuh von Wölfen angegriffen wurde, hat er den Besitzer der Kuh und dann den Wildhüter informiert.
Inwiefern verhält sich dieses Wolfsrudel speziell?
Im Vergleich zu anderen Wolfsrudeln verhält sich dieses Rudel schon mehrere Jahre aussergewöhnlich, etwa im Überwinden von Schutzmassnahmen, einem getöteten Esel vor zwei Jahren und jetzt in diesem Jahr mit dem Töten einer Mutterkuh. Ein grosses Tier, das von Wölfen getötet wurde.
Das ist sicherlich eine neue Dimension
Wie aussergewöhnlich ist der Riss einer Mutterkuh?
Das ist sicherlich eine neue Dimension. Wir sehen aber allgemein in den letzten zwei Jahren eine für uns besorgniserregende Entwicklungen. Eigentlich ist es auch das Problem des aktuellen Wolfsmanagements. Man muss hier ja zuerst die Schäden abwarten. Die Wölfe lernen daraus und erst danach kann man intervenieren. Und das ist eine sehr unbefriedigende Situation.
Was ist das Problem beim aktuellen Wolfsmanagement?
Die Schadenschwelle für die Regulation dieses Wolfsrudels wäre eigentlich schon vor diesem Vorfall erfüllt gewesen. Aber wir müssen von der Gesetzgebung aus abwarten, bis wir feststellen können, wie viele Jungtiere in diesem Jahr geboren werden. Dann können wir beim Bund den Antrag stellen, die Hälfte dieser Jungtiere zu regulieren. Das ist also sehr abhängig davon, wann die Welpen von diesem Jahr festgestellt werden.
Die Vergrämungsaktion gestern hat leider nicht geklappt.
Zusätzlich haben wir gestern Abend schon versucht, vor Ort eine Vergrämungsaktion in Form einer Besenderung durchzuführen. Das hat leider nicht geklappt, es ist nicht ganz einfach bei der Umsetzung. Wir haben bei solchen Aktionen aber die Erfahrung gemacht, dass eine solche Aktion eine starke Vergrämung bei den Wölfen bewirkt, das heisst, solche Wölfe meiden diese Orte danach für längere Zeit.
Wie funktioniert eine solche Vergrämungsaktion?
Man narkotisiert einen Wolf aus einer Distanz von etwa 20 bis 25 Metern mit einem Narkosegewehr. Wenn der Wolf schläft, legt man ihn an ein Halsband mit einem GPS-Sender ans. Nach einer gewissen Zeit wacht der Wolf wieder auf. Der Wolf lernt aus dieser negativen Erfahrung und wir gewinnen aus den Daten wichtige Erkenntnisse über den Aufenthaltsort dieses Wolfes, um allenfalls schneller eingreifen zu können, falls notwendig.
Das Gespräch führte Jan Vontobel.