Es knistert und riecht leicht nach Rauch. Ueli Zahner hat gerade die letzte Schicht Eisenerz und darauf eine weitere Schicht Holzkohle im Rennofen geschüttet. Zahner ist Messerschmied und hat den Ofen auf der Wiese vor dem Museum Blumenstein in der Stadt Solothurn gebaut. Der Rennofen besteht aus Lehm und Schamottsteinen und ist etwa einen Meter hoch. Ins «Gesicht» des Ofens und in die Seiten führen Schläuche, die an einen grossen Blasebalg angeschlossen sind.
Seit mehreren Stunden legt der Schmied regelmässig Erz und Kohle nach. Im Ofen herrscht eine Temperatur von etwa 1200 Grad. Das Ziel: Am Schluss soll das Erz zu einem Eisenschwamm reduziert sein, der sogenannten Luppe. Dieser Klumpen kann danach weiter verarbeitet werden. Übrig bleibt im Ofen daneben die Schlacke.
Rennöfen wurden seit der Eisenzeit (ca. 700 vor Christus) bis ins 14. Jahrhundert zur Eisengewinnung verwendet. Der Name stammt von der Bauweise: Oft wurden solche Öfen am Hang gebaut, die Schlacke «rann» durch Öffnungen heraus.
Das Eisenerz Magnetit, das Schmied Ueli Zahner im Rennofen verarbeitet, stammt aus dem Wallis. In der ganzen Schweiz wurde aber Erz verhüttet. Der ganze Jurabogen sei voll mit Eisenerz, erklärt Fabio Tortoli von der Solothurner Kantonsarchäologie. Bei Ausgrabungen etwa in Büsserach (SO) seien in einer frühmittelalterlichen Siedlung Öfen und Überreste von Schmieden gefunden worden. Das Hauptgewerbe in diesem Ort war die Eisengewinnung durch die Verhüttung von Bohnerz.
Wie gross diese Öfen waren, könne man durch Ausgrabungen allein nicht sagen, so der Archäologe Tortoli. Im Boden erhalten seien nur die Fundamente der Rennöfen. Der obere Teil sei meistens zerstört worden, um an den Eisenschwamm zu gelangen. Übrig blieb nur tonnenweise Schlacke. Um mehr zu erfahren, brauche es Experimente wie jenes in Solothurn.
Sein Alltagsgeschäft besteht vor allem aus Ausgrabungen und kleineren Auswertungen. Die sogenannte experimentelle Archäologie verbindet diese eher theoretischen Befunde mit der Praxis. Viele Abläufe und Einzelheiten erkenne man erst beim Ausprobieren, meint Tortoli. Und natürlich sei ein rauchender Ofen mit glühender Kohle vor Ort interessanter als auf dem Bild in einem Buch.
Der Rennofen in Solothurn wurde für die Tagung des Vereins «Experimentelle Archäologie Schweiz» aufgebaut. Wie im Frühmittelalter sehe der Ofen mit seinen Kunststoffschläuchen für die Zuluft vom Blasbalg natürlich nicht aus, meint Kathrin Schäppi. Die Schaffhauser Kantonsarchäologin ist im Vorstand des Vereins.
Im Widerspruch zur Archäologie stehe die moderne Technik allerdings nicht. «Man definiert Parameter, die man fix halten muss. Sonst ist das Experiment nicht mehr messbar. Zum Teil muss man dabei Kompromisse eingehen. Man muss hier zum Beispiel dafür sorgen, dass immer gleich viel Luft zugeführt wird.»
In der Schweiz ist die experimentelle Archäologie eine eher junge Disziplin. Auch nach 30 Jahren sei sie aber noch nicht institutionalisiert, so Schäppi. «Man kann es an der Universität noch nicht lehren, es gibt keinen Beruf. Es haftet immer noch der Ruf: Die basteln da etwas. Die machen Feuer oder verkleiden sich.»
Dank der experimentellen Archäologie könne man Fundgegenstände besser lesen und erklären, meint Kathrin Schäppi. Erst beim Gebrauch merke man etwa, wie ein Messer verwendet wurde. Bei ihren Versuchen mit Bronzemessern hat sie anhand der Gebrauchsspuren herausgefunden, wozu die Messer verwendet wurden. Es habe sich gezeigt, dass sie nicht nur zum Gemüseschneiden verwendet wurden, sondern dass damit auch Holz geschnitzt wurde, sagt Schäppi. «Da kommen wir dem Menschen der Vergangenheit viel näher, als wenn wir eine beschreibende Archäologie machen.»
Mit grösseren Werkzeugen arbeitet Johannes Weiss. Der ehemalige Ausgrabungsleiter demonstriert, wie mit steinzeitlichen Beilen gearbeitet wurde. Natürlich gebe es Vorlagen aus Funden. Erst beim Nachbau und dem Einsatz des Beils habe er die richtige Technik gelernt, damit der Holm nicht beim ersten Schlag am Baum gespalten werde. Auch wie man Beilstiel und -kopf verbindet, musste er zuerst herausfinden. «Am Anfang ist es immer auseinandergefallen.»
Um einen kleinen Baum zu fällen, benötigt Weiss mit dem Steinbeil etwa eine Viertelstunde. Es sei relativ anstrengend, meint er. Und man könne nicht wie mit einer modernen Axt eine Kerbe in den Stamm schlagen. Viel mehr muss man über eine grössere Fläche Material abtragen – sonst wird der Stiel eher früher als später vom Stein gespalten.
Zurück zu Schmied Ueli Zahner. Sein Rennofen brennt unterdessen seit rund acht Stunden. Jetzt kommt der Moment, um den tönernen Ofen aufzubrechen und das Resultat der Verhüttung zu sehen. Das Verfahren musste sich Zahner selber beibringen. Es gebe keine Gebrauchsanleitung von früher, lacht er. So habe er etwa erst nach mehreren gescheiterten Versuchen herausgefunden, dass man nicht zu viel Luft in den Ofen blasen dürfe.
Ueli Zahner und ein Gehilfe schlagen den Ofen auf, Ton und Steine fallen auseinander. Das Metall aus einem Rennofen ist nicht flüssig, sondern bleibt als glühende Klumpen zurück. Das Experiment hat funktioniert. Den Eisenschwamm könnte man nun direkt weiter verarbeiten. Zahner lässt ihn allerdings abkühlen und nimmt ihn mit in seine Schmiede. Durch Hämmern und Falten wie bei der Herstellung eines hochwertigen Messers entsteht daraus ein kleiner Eisenbarren.
Im Rennofen hat der Schmied für das bisschen Eisen rund 80 Kilogramm Holzkohle verbrannt. Um Eisen im grossen Stil zu gewinnen, mussten daher früher viele Wälder abgeholzt werden. Wieder etwas, das man nur durch Experimentieren herausfindet.