Das «Megafon» ist die Zeitung eines Kollektivs rund um die Berner Reitschule. Es gilt als Medium für Leute aus diesem Umfeld. In den letzten Monaten machte sich das Redaktions-Kollektiv jedoch auch anders bemerkbar: Es wurde vom Medienmagazin «Schweizer Journalist:in» für die Wahl zur Chefredaktion des Jahres nominiert.
Das «Megafon» brachte sich mit eigenen Recherchen zu Corona- und Gesellschaftsthemen in den öffentlichen Diskurs ein, wurde von anderen Medien zitiert – was sie schmeichelt: «Es ist eine Würdigung unserer Arbeit», so das Kollektiv. Doch wer steckt hinter der «Reitschulzeitung», die in der Medienbranche mitmischt?
Zum Redaktions-Kollektiv gehören derzeit 18 Personen – «mal mehr, mal weniger», steht auf der Internetseite. Eine Chefredaktorin, einen Chefredaktor gibt es nicht, eine klare Hierarchie ebenfalls nicht – aber inhaltliche Leitplanken: «Wir teilen keine rassistische, sexistische, homophobe Inhalte», sagt Nicolas Fuhrimann. Er ist gelernter Gärtner, macht das Lehrerdiplom und arbeitet nebenbei freiwillig seit sieben Jahren als Zeichner und Layouter für das «Megafon». Das Magazin erscheint monatlich und hat sich in den letzten Jahren verändert.
Aus der Jugendbewegung entstanden
Gegründet wurde das «Megafon» in den späten 1980er-Jahren als Lautsprecher der Jugendbewegung in Bern. Das erste Blatt erschien einige Tage nach der Räumung der alternativen Wohnsiedlung Zaffaraya im Jahr 1987. Es war das Sprachrohr für die Bewegung, die autonome Freiräume wie die Reitschule forderten. Diese war zuvor wiederbesetzt worden. Ein Sprachrohr für die linke, alternative Szene.
Die Zeitschrift Nebelspalter schreibt über das «Megafon» denn auch, es sei «ein anonymes «Kollektiv», dessen Methode die des linkssituierten Denunziantentums ist.»
Olivia Geiser verteidigt sich. Sie ist Mitte 20, in der Ausbildung zur Sozialarbeiterin und schreibt «neben der Ausbildung, neben Lohnarbeit, neben anderen Hobbys» seit einem halben Jahr für das «Megafon»: «Nur weil wir keine Ausbildung in diesem Bereich gemacht haben, bedeutet das nicht, dass es kein Journalismus ist.» Sie würden Haltung zeigen, bei ihren Themen in die Tiefe gehen und viel Zeit für Recherchen verwenden.
Dass wir keine entsprechende Ausbildung haben, bedeutet nicht, dass es kein Journalismus ist.
Dabei wollten sie in den letzten Jahren thematisch diverser auftreten. Das «Megafon» versuche, den politischen Diskurs in Bern mit kritischer und anwaltlicher Berichterstattung mitzuprägen: «Es soll denjenigen die Stimme zurückgeben, die von bürgerlichen Medien und parlamentarischer Politik ignoriert werden.»
Sie schreiben über rechte Netzwerke, psychische Gesundheit, Demonstrationen, Polizeigewalt, Asylpolitik: «Zu Demonstrationen oder solchen Bewegungen ist ein grosses Wissen da. Das ist ein Vorteil, damit wissen wir, wo wir hinschauen müssen», sagt Olivia Geiser. Das «Megafon» hat Zugang zur Demoszene, zu Hausbesetzerinnen und Hausbesetzern.
Linker Journalismus mit Haltung
Damit wird klar: Sie seien Menschen, die aus einem linken Umfeld stammten und entsprechend seien ihnen Themen aus diesem Umfeld wichtig: «Das merkt man den Texten natürlich an. Es gibt aber allgemein fast keinen von der Meinung unabhängigen Journalismus», sagt Nicolas Fuhrimann. Propaganda mache das «Megafon» aber nicht, sondern Journalismus mit Haltung.
Das «Megafon» versteht sich selbst als Teil der linken Szene. Wie kann es sich von der Reitschule und dessen Umfeld als unabhängig abgrenzen? «Es läuft nicht immer auf einen Text oder eine Geschichte raus», sagt Fuhrimann. Unabhängigkeit und Distanz sei ein grosses Thema.