Kurz vor 06.00 Uhr morgens auf dem Brienzergrat. Fünf junge Männer warten mit zahlreichen anderen Wanderern auf den Sonnenaufgang. Leider machen ihnen dicke Wolken einen Strich durch die Rechnung. «Ich bin etwas enttäuscht. Wir sind lange gewandert. Alles für das. Es ist schon schön, aber nicht perfekt», sagt einer der fünf jungen Männer und seufzt. Die Stimmung sei nicht perfekt für das perfekte Sonnenaufgang-Foto.
Zum Glück hätten sie bereits gestern ein Foto vom Sonnenuntergang gemacht und gepostet.
Dass es illegal sei, hier zu übernachten, weil das Gebiet unter Wildschutz stehe, hätten sie erst realisiert, als sie oben angekommen ein Verbotsschild bemerkt hatten.
Verbotsschilder, zwei Ranger und ein extra kleiner Eingang
500 Höhenmeter unterhalb, auf der Lombachalp, beobachten die beiden Ranger und der kantonale Wildhüter das Geschehen. Vor allem seit der Pandemie zelten immer mehr Leute auf dem Brienzergrat.
Früher waren hier Rudel von 20 grossen Böcken.
Das hat Auswirkungen auf die Steinböcke, sagt Wildhüter Matthias Zimmermann: «Früher waren hier Rudel von 20 grossen Böcken. Die fehlen nun komplett, die meisten sind auf der anderen Seite im Wald. Der 24-Stunden-Betrieb am Berg vertreibt die Böcke.»
Diverse Verbotsschilder, zwei Ranger, die jeden Abend bis zu 20 Personen abfangen, und ein extra kleiner Eingang zum Wildschutzgebiet – der Personen mit viel Gepäck quasi physisch aufhalten soll – helfen nur begrenzt.
In der Hochsaison zelten immer noch fast täglich Leute oben. Darum steigt der Wildhüter auch einmal pro Woche hoch und verteilt Bussen. Die Ursache des Problems liege aber woanders: «Das Problem sind die sozialen Medien, es sind immer neue Leute.»
Ein Teufelskreis, verursacht durch Instagram
Immer mehr Zeltler – wegen der sozialen Medien. Das zeigt sich auch an anderen Orten der Schweiz. Im Kanton Glarus etwa über dem Limmerensee auf 2500 Meter über Meer auf dem Muttenkopf. Tausende Fotos im gleichen Stil findet man auf Instagram.
Das Zelten hier oben ist zwar legal, der kantonale Wildhüter Samuel Ganter ist aber trotzdem sehr besorgt: «Es nimmt ein Ausmass an, das wirklich prekär wird für Tierwelt und Flora.
Es nimmt ein Ausmass an, das wirklich prekär wird für Tierwelt und Flora.
Es sind nicht mehr so viele Tiere wie auf 1000 Meter, aber diese hier sind fast noch mehr auf Ruhe angewiesen und auf ihren Lebensraum.»
Auch hier zelten täglich Leute, an den Wochenenden stehen 15 bis 20 Zelte, erzählt uns Claudia Freitag, die die naheliegende Muttseehütte SAC betreibt. Auch sie spürt die Auswirkungen: «Die Zeltler hinterlassen Abfall, benutzen unsere sanitären Anlagen und holen Wasser.» Sie sei aber trotzdem zwiegespalten: «Marketingtechnisch ist es natürlich ein Selbstläufer – dieser See geht so viral, da müssen wir als Hütte nicht mehr gross Werbung machen.»
Trotzdem meint sie, es brauche eine Regelung. Seit dieser Saison dokumentiert sie das Geschehen auch und führt eine «Strichli-Liste», auf der sie täglich festhält, wie viele zelten.
Aufklärung, Weggebot oder gleich ein Verbot?
Für Wildhüter Gantner ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. «Ich finde es super, wenn die Leute in die Natur gehen, aber es ist sehr einseitig. Sie nehmen sich das heraus, was ihnen gefällt und was überall gepostet wird. Was das für einen Druck und Stress für die Tierwelt bedeutet, ist ihnen nicht bewusst.»
Darum müsse er noch viel mehr Aufklärungsarbeit leisten. Man müsse sich aber auch überlegen, gleich ein Weggebot zu machen oder gar ein generelles Zeltverbot. Zurzeit sei man mit dem Kanton in Abklärung.