Zermatt will wachsen. Weil das im Innern, im Kessel ganz hinten im Mattertal, kaum mehr möglich ist, richtet sich der Walliser Weltkurort nach Italien aus.
Eine neue Bahnverbindung soll asiatische Touristen von Mailand über das Klein Matterhorn nach Zermatt lotsen. 150 Millionen Franken investieren die Bergbahnen in das Projekt «Alpine Crossing». Da kommen Weltcuprennen als internationales Werbefenster gerade recht – erst Anfang Oktober hat der Welt-Skiverband FIS bestätigt, dass die Rennen am Fusse des Matterhorns in den Rennkalender aufgenommen werden.
«Hier sind wir auf der Gobba di Rollin. Hier ist der Start der Herren-Abfahrt. So ein Rennen über zwei Länder hat es in der Geschichte des Weltcups noch nie gegeben», sagt Franz Julen, OK-Präsident der Weltcuprennen Zermatt/Cervinia und Verwaltungsratspräsident der Zermatt Bergbahnen. Er gerät ins Schwärmen, wenn er auf 3800 Meter über Meer den Verlauf der Abfahrtsstrecke mit dem Skistock in die Luft zeichnet.
Ab 2023 sollen auf dem Gletscher vier Speed-Rennen für die Frauen und die Männer stattfinden. Mit Start in der Schweiz und Ziel in Italien werden es grenzüberschreitende Weltcuprennen sein.
Klein Matterhorn wird Verkehrsknotenpunkt
Doch Zermatt baut nicht nur an der neuen, länderübergreifenden Weltcupabfahrt. Auf dem Klein Matterhorn entsteht derzeit auch eine neue länderverbindende Bergbahn. Spätestens im Frühjahr 2023 soll sie den Betrieb aufnehmen und das Klein Matterhorn mit der Testa Grigia verbinden. Damit entsteht eine neue ganzjährige Verbindung zwischen der Schweiz und Italien.
«Damit werden wir interessant für asiatische Gäste auf Europareise. Dieser Touristenstrom soll von Mailand über das Aostatal auf das Klein Matterhorn, dann hinunter nach Zermatt, am nächsten Tag noch auf den Gornergrat und schliesslich durch das Wallis nach Genf und weiter nach Paris reisen», erklärt Franz Julen die Vision.
Gäste werden eher auf der günstigeren, italienischen Seite übernachten.
Die Zermatt Bergbahnen wollen damit bestehende Gästeströme umlenken. Ein schwieriges Unterfangen. Monika Bandi, Professorin für Tourismus an der Universität Bern, traut das den Walliserinnen und Wallisern durchaus zu, warnt jedoch vor Zielkonflikten: «Die Qualität für die Gäste, die vor Ort die Natur geniessen wollen, darf durch mögliche neue Transitgäste, für die Mobilität im Zentrum steht, nicht gestört werden.» Zudem bestehe die Gefahr, dass viele Gäste zwar Zermatt besuchen, jedoch auf der günstigeren, italienischen Seite übernachten und konsumieren.
Bedenken wegen Massentourismus
Einen ökologischen Zielkonflikt sieht indes Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Er verfolgt die Bautätigkeiten im Hochgebirge mit Unbehagen.
Man will vor allem Massen anziehen.
«Das alles hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Man will vor allem Massen anziehen und man will auch zeigen, dass man im Konkurrenzkampf mit anderen Tourismusorten der Stärkste ist.»
All diese Bedenken nehme Zermatt sehr ernst, sagt Franz Julen. Massentourismus sei aber nicht das Ziel. Nebst der ökologischen gehe es aber auch um die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. «Ich bin überzeugt, dass wir die richtige Balance finden werden zwischen Kommerz, Frequenzen, Qualität und Respekt vor der Natur», sagt Julen.
Und so baut Zermatt konsequent an seiner touristischen Zukunft – mit dem Klein Matterhorn als Dreh- und Angelpunkt.