Das Ja zur Zersiedelungs-Initiative mag manchen überraschend deutlich erscheinen. Laut der ersten SRG-Umfrage wollen zurzeit 63 Prozent der Stimmbürger die Initiative annehmen und damit die Grösse der Bauzonen einfrieren.
Die Initiative mag einen Nerv treffen: Wie sich die Siedlungen immer mehr in einst unberührte Landschaften fressen, ist auf der Fahrt durch das Land augenfällig.
Die Gegner haben leichtes Spiel
Wenn man sich die Umfrage-Ergebnisse genauer anschaut, ist aber auch zu sehen, dass die Hälfte der Stimmbürger noch keine klare Meinung zur Zersiedelungs-Initiative hat. In einer breiteren Öffentlichkeit wurde die Initiative der Jungen Grünen noch kaum diskutiert. Auch will die Gegnerschaft, angeführt vom einflussreichen Gewerbeverband, ihre Kampagne erst im neuen Jahr richtig starten. Es ist eine typische Ausgangslage, vor allem bei Umwelt- und Tierschutzanliegen.
Eine Mehrheit der Stimmbevölkerung ist zu Beginn des Abstimmungskampfes, bei der ersten Umfrage, noch dafür, doch dann haben die Gegner oft ein leichtes Spiel. Ausser der Zweitwohnungs-Initiative wurden in den letzten zehn Jahren alle Umwelt- und Tierschutzanliegen an der Urne abgelehnt, obwohl viele Vorlagen bei der ersten Umfrage mit einer Ja-Mehrheit an den Start gingen:
Auch wenn die Contra-Argumente oft immer die gleichen sind, so scheinen sie ihre Wirkung doch zu entfalten: Zu radikal, zu schädlich für die Wirtschaft, heisst es fast immer.
Laut dem Forschungsinstitut gfs.bern dürften die Gegner dieses Mal vor allem mit den Argumenten punkten, das jetzige Raumplanungsgesetz sei wirksam genug und eine Begrenzung der Siedlungsfläche könnte zu Mietpreiserhöhungen führen. Solche Argumente gewichten die Stimmbürger dann im Verlaufe des Abstimmungskampfs oft höher als die Verschandelung der Landschaft oder die Hypothek für künftige Generationen – Argumente, die im Moment bei den Befürwortern der Initiative obenaus schwingen.
Parallelen mit Zweitwohnungs-Initiative?
Allerdings ist die Zersiedelungs-Initiative erst die zweite Vorlage in den letzten zehn Jahren, die auf die Raumplanung zielt. Die Zweitwohnungs-Initiative wurde 2012 mit 50,6 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Ein Indiz dafür, dass auch die Zersiedelungs-Initiative punkten könnte?
Die Zweitwohnungs-Initiative kam damals nicht von einer Partei, sondern vom schillernden Umweltschützer Franz Weber, der auch bei Bürgerlichen eine Ikone ist. Zudem hatte die Initiative begrenzte Auswirkungen, betroffen waren vor allem Bergregionen – dort wohnt die Minderheit der Stimmbürger. Das ist dieses Mal anders: Die Zersiedelung findet vor allem auch im Mittelland statt.
Aber ob die Bürger dann auch bereit sind, allfällige Nachteile bei einem Ja vor der eigenen Haustüre in Kauf zu nehmen? Das Nein-Lager wird bis zur zweiten SRG-Umfrage zehn Tage vor der Abstimmung wohl noch deutlich zulegen, alles andere wäre eine grosse Überraschung.
Generell haben es Initiativen in dieser Legislatur schwer. Noch keine einzige wurde angenommen. Die Zersiedelungs-Initiative wäre die erste.