Seit dem frühen Montagmorgen gilt an vielen Orten die Zertifikatspflicht. Das hat schon in den Morgenstunden für Protest gesorgt. Andernorts lief die Einführung problemlos.
Unverständnis im Fitnesscenter – mehr Personal im Hallenbad
Die Kontrollen seien mit einem grossen Aufwand verbunden, sagt die Mitarbeiterin am Empfang des Migros Fitnessparks in Opfikon. «Wir führen viele Diskussionen mit Ungeimpften, die kein Verständnis haben.» Die Mehrheit jener, die am Montagvormittag trainieren, befürworten jedoch die Zertifikatspflicht: «Es gibt keine andere Lösung – da müssen wir durch», sagt eine Frau beim Eingang.
Wir führen viele Diskussionen mit Ungeimpften
Bei der Migros Tochter «Activ Fitness», die 86 Studios schweizweit betreibt, ist man der Zertifikatspflicht gegenüber skeptisch. Zwischen 20 und 40 Prozent der Kundinnen und Kunden habe man seit März letzten Jahres bereits verloren, sagt Geschäftsführer René Kalt. «Die Zertifikatspflicht kommt für die Fitnesscenter zum unglücklichsten Zeitpunkt.» Denn im Herbst und Winter verkaufe man normalerweise die meisten Abonnemente. Kalt fordert deshalb, dass der Bund die betroffenen Branchen entschädigt.
Dass es nicht zu langen Wartezeiten beim Eingang kommt, wurde im Hallenbad in Zürich Oerlikon zusätzliches Personal aufgeboten. Bisher liefen die Kontrollen reibungslos ab, sagte der Betriebsleiter der SRF Reporterin vor Ort.
Bei der Mehrheit der Badegäste kommt die Zertifikatspflicht gut an. «Ich fühl mich sicherer, dass nur noch Geimpfte, Getestete und Genesene untereinander sind», sagt etwa eine ältere Frau. «Ich begrüsse das sehr. So gewinnen wir wieder Freiheiten zurück», sagt ein Mann.
Protest vor der Universität Bern
Rund 30 Personen haben sich am Montagmorgen zu einer spontanen Kundgebung vor der Universität Bern versammelt. Dabei waren Studierende der Universität Bern sowie Unterstützer verschiedener Organisationen. Sie protestierten gegen die Covid-Zertifikatspflicht. Die Hochschulen können zusammen mit den betroffenen Kantonen jeweils selber entscheiden, ob sie eine Zertifikatspflicht einführen wollen. Die Universität Bern hatte letzte Woche mitgeteilt, dass sie derzeit eine Pflicht für alle Veranstaltungen prüfe.
Schlange vor dem Basler Zoo
Am Eingang des Basler Zoos bildete sich bereits am Morgen eine Schlange mit wartenden Besucherinnen und Besuchern. Dennoch sei die Stimmung ruhig, berichtete eine SRF-Reporterin vor Ort. «Alle Besucherinnen und Besucher zeigen ihr Zertifikat.» Der Zoo hat zudem eine Teststation eingerichtet. Diese ist bis im Oktober gratis, wie es danach weitergeht, will die Zooleitung noch prüfen.
Das Bilden einer Schlange habe wohl eher mit dem schönen Wetter zu tun, sagte Sarah Schnell, Mitglied der Corona-Taskforce des Basler Zoos. Für die Kontrollen waren bei den Eingängen mehr Mitarbeitende des Zoos im Einsatz als sonst.
Zertifikatspflicht in Restaurants und Cafés
Wer in ein Restaurant oder Café will, muss ein Zertifikat vorweisen. Auffallend leer war es am Montagmorgen in einem Café in einem Berner Warenhaus. «Hier hat es normalerweise am Vormittag mehr Leute», sagte eine Besucherin. Unklar ist, ob es an der Zertifikatspflicht oder eher dem schönen Wetter liegt.
Auch im Churer Café Patschifig war deutlich weniger los als an einem gewöhnlichen Montag. Am Morgen sei das Café normalerweise gut besetzt, sagt Geschäftsführerin, Sandra Christoffel. Zwischen neun und zehn Uhr kämen jeweils ganze Bürobelegschaften zum Kaffeetrinken vorbei. «Heute war das Café praktisch leer. Einige Gruppen haben uns gesagt, dass einzelne von ihnen nicht geimpft seien und sie deshalb ihren Kaffee irgendwo im Freien trinken», so Christoffel.
Dank der Terrasse herrscht Normalbetrieb.
Die Terrasse beim Churer Café Caluori hingegen war um die Mittagszeit gut gefüllt. «Courant normal», sagt der Inhaber Franz Sepp Caluori. Wegen der Terrasse werde er heute kaum etwas von der Zertifikatspflicht merken. Caluori ist auch Präsident des Branchenverbands Gastro Graubünden. Je nachdem, wie ein Restaurant aufgestellt ist, mit oder ohne Terrasse, fokussiert auf Abendessen oder nicht, würden die Gastronomen das neue Regime unterschiedlich spüren. Er rechne mit einer Einbusse von 20 bis 30 Prozent am Anfang. «Nachher wird sich das einpendeln», glaubt Caluori.
Smartphonekauf wegen Kontrollen
Die Wirtin des Restaurants Linde in Appenzell, Regula Dörig, hat sich für die Zertifikats-Kontrollen zum ersten Mal in ihrem Leben ein Mobiltelefon gekauft. Sie stelle zwar fest, dass am Montagmorgen weniger Gäste kamen als sonst, jedoch hätten alle Gäste, die da waren, ein gedrucktes Zertifikat mitgebracht. Etwas verunsichert ist die Wirtin, weil bereits mehrere Vereine angekündigt haben, dass sie aufgrund der Zertifikatspflicht bis auf Weiteres nicht mehr kommen würden.
In Luzerner Bibliothek erst Stichproben
Von der Zertifikatspflicht betroffen sind auch die Innenbereiche öffentlicher Einrichtungen wie Bibliotheken. Bei der Zentral- und Hochschulbibliothek an der Sempacherstrasse in Luzern wird seit Montag auf einem Infoscreen und mit Plakaten beim Eingang darauf hingewiesen. Der Direktor Benjamin Flämig ergänzt, dass sie anfangs nur Stichproben machen werden, da ihnen aktuell das Personal fehle, um jedes einzelne Zertifikat zu überprüfen. Deshalb gelte vorerst eine zusätzliche Maskenpflicht. Ab nächster Woche stehe dann zur Kontrolle der Zertifikate zusätzliches Security Personal zur Verfügung.
Auch sonst ist Flämig nicht wirklich zufrieden mit der neuen Regelung. Er erachte es als fragwürdig, dass Bibliotheken als öffentliche Bildungseinrichtungen ab heute nicht mehr allen Menschen zugänglich seien. «Gerade in diesen anspruchsvollen Zeiten, sind viele Menschen verunsichert. Es wäre schlau gewesen, bei Orten mit zuverlässigen Informationen den Zutritt nicht einzuschränken.»