- Einen Monat vor den Bundesratswahlen steht Aussenminister Ignazio Cassis in der Kritik.
- «Cassis ist klar der schwächere FDP-Bundesrat», schiesst Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli von links.
- «Natürlich überzeugt er mich nicht», kritisiert Auns-Präsident und SVP-Nationalrat Lukas Reimann Cassis von rechts.
- Der Aussenminister kontert: «Die Kritik zeigt, dass ich etwas bewege.»
Bundesrat Ignazio Cassis kann der harten Kritik an seiner Amtsführung auch etwas Positives abgewinnen: «Das ist ein gutes Zeichen. Das zeigt, dass ich etwas bewege und dass es nicht allen gefällt», sagt er der «Rundschau».
Es gibt tatsächlich viel Kritik an Cassis' Amtsführung. Vor allem Grüne und Sozialdemokraten haben sich auf den FDP-Bundesrat eingeschossen und kritisieren ihn ungewöhnlich scharf.
Machtanspruch der Grünen
«Die FDP hat kein Anrecht mehr auf zwei Sitze im Bundesrat», sagt Nationalrätin Irène Kälin (Grüne/AG). «Cassis ist klar der schlechtere der zwei amtierenden FDP-Bundesräte», doppelt der Fraktionschef der Grünen, Balthasar Glättli, nach.
Rot-grün kritisiert insbesondere, Cassis habe sich viele kommunikative Fehltritte geleistet. So habe er etwa das UNO-Palästinenser-Hilfswerk UNRWA kritisiert. Oder habe eine umstrittene Mine des Rohstoffkonzerns Glencore als Vorzeigemodell gelobt. «Im Zweifel gewichtet Bundesrat Cassis Konzerninteressen höher als die Menschenrechte», kritisiert SP-Aussenpolitiker Fabian Molina.
Begrenzter Support
Gestützt wird Cassis aus den eigenen Reihen und aus der politischen Mitte: «Er ist ein guter Aussenminister», sagt Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP/BL). Die Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission lobt, Cassis scheue sich nicht, auch unangenehme Themen anzusprechen. Gerade beim EU-Dossier habe er viel erreicht. «Seine beiden Vorgänger haben es nicht geschafft, ein Rahmenabkommen auf den Tisch zu legen».
Ins gleiche Horn stösst Hans-Peter Portmann (FDP/ZH): «Wenn ich sehe, was er zusammen mit Staatssekretär Balzaretti in kurzer Zeit erreicht hat, dann hat er es sehr gut gemacht.»
Vorwurf Wortbruch
Ausgerechnet für seine EU-Politik wird Cassis von rechts besonders hart kritisiert: «Er hat uns den Reset-Knopf und einen Neustart in der Aussenpolitik versprochen», sagt Auns-Präsident und SVP-Nationalrat Lukas Reimann. Er habe nicht Wort gehalten. «Er ist dank diesen Versprechen an die SVP überhaupt Bundesrat geworden.»
Cassis mache als Aussenminister das Gegenteil von dem, was er versprochen habe, sagt Reimann. Er treibe den «Anschluss an die EU» im Höchsttempo voran.
Zitterpartie am 11. Dezember
In einem Monat finden die Gesamterneuerungswahlen für den Bundesrat statt: Keiner wird zurzeit derart infrage gestellt wie Cassis. «Ich kann das offen sagen: Ich wähle Bundesrat Cassis nicht», sagt Irène Kälin (Grüne/AG). Sie hofft, dass die Grünen den FDP-Sitz von Cassis tatsächlich angreifen.
Die Entscheidung liegt am 11. Dezember bei der politischen Mitte und der SVP: «Es fällt mir schwer, ihn zu wählen», sagt Reimann. «Aber die Vernunft sagt, du musst ihn wählen.» Für Reimann wäre ein grüner Bundesrat noch weniger wünschenswert.
Cassis ist gerne Aussenminister
An Ignazio Cassis selber scheinen die harten Angriffe abzuperlen. Er betont gegenüber der «Rundschau»: «Ich bin sehr gerne Aussenminister. Jeden Tag freue ich mich auf die neuen Herausforderungen. Es hat viele und sie machen mir Freude».