Einen solchen 1. Mai hat Basel noch nie erlebt. Ein paar Hundert Meter nach Start des Umzugs beim Bahnhof SBB kesselte die Polizei mit einem Grossaufgebot den vorderen Teil des Demozugs ein. Die Begründung der Polizei: Die Gruppe an der Spitze sei vermummt gewesen und mit Schutzmaterial ausgerüstet.
Wie auf verschiedenen Fotos zu sehen ist, waren tatsächlich einzelne Personen aus dem sogenannten «Schwarzen Block» mit Kapuze und Schal respektive Mundschutz vermummt. Zudem wurden kurz nach Start erste Rauchpetarden gezündet. Zu Sachbeschädigungen kam es jedoch nicht, dies schrieb die Polizei denn auch in ihrer Medienmitteilung nach dem Umzug.
Auch am Tag nach der Demonstration wird der Einsatz der Basler Polizei kontrovers diskutiert. «Dies ist ein neues Ausmass an Polizeigewalt. Eine friedliche Demo wurde ohne Grund einfach so festgesetzt», empört sich Nicola Goepfert, Grossrat der Links-Partei Basta und Mitorganisator des 1.-Mai-Umzugs. Viele Politikerinnen und Politiker wie SP-Vizepräsident Marcel Colomb machten ihrem Unmut zudem auf Twitter Luft.
Ganz anders wird der Polizeieinsatz von Politikerinnen und Politikern aus dem bürgerlichen Lager beurteilt. Hier gibt es Gratulationen für den Einsatz, man habe mit der Einkesselung wohl Schlimmeres verhindert.
«Die Strategie war sehr gut. Man wollte den Schwarzen Block von den anderen Teilnehmern abtrennen», sagt SVP-Grossrat Felix Wehrli. Der Einsatz habe präventiven Charakter gehabt. Es sei darum gegangen, Sachbeschädigungen, wie sie bei der letzten 1.-Mai-Demo vor einem Jahr vorgekommen sind, zu verhindern. Demi Halblützel, die Präsidentin der Jungen SVP Basel-Stadt, twittert:
Darf die Polizei einen Demozug stoppen, um präventiv Straftaten zu verhindern? Bei genau dieser Frage gehen die Meinungen weit auseinander und sie dürften die Politik in Basel noch länger beschäftigen. Denn schon jetzt ist klar: Die ersten politischen Vorstösse und Forderungen werden schon bald folgen.
Am Tag nach dem Polizeieinsatz nahm auch Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (LDP) Stellung. Sie verteidigte die Strategie und verwies auf Gegenstände, die bei Demonstrierenden gefunden worden seien: Pyromaterial oder Spraydosen: «Die Polizei hatte Hinweise, dass es nicht friedlich zu und hergehen wird.» Man habe Ausschreitungen wie in Zürich verhindern können: «Die Polizei hat ihren Auftrag erfüllt.»
Die Polizei hatte Hinweise, dass es nicht friedlich zu und hergehen wird.
Der Umgang mit Demonstrationen in Basel ist nicht erst seit dem gestrigen Polizeieinsatz ein politisch heisses Eisen. Grund sind mehrere Einsätze der Polizei in den vergangenen Monaten und eine Ansage der Sicherheitsdirektorin nach den Sachbeschädigungen am 1. Mai letzten Jahres, dass man solche Auswüchse und illegale Demonstrationen nicht mehr dulde.
Fronten bleiben verhärtet
Gross ist zudem auch der Unmut bei Läden und Gewerbe in der Basler Innenstadt, weil es wegen Demonstrationen an Samstagen regelmässig zu Unterbrüchen im öffentlichen Verkehr kommt. Und: Nach einem umstrittenen Gummischrot-Einsatz der Polizei an einer Frauendemonstration im März dieses Jahres gab es von linken Kreisen sogar Rücktrittsforderungen an Polizeikommandant Martin Roth.
Die Fronten in Basel sind verhärtet, der Polizeieinsatz am 1. Mai hat kaum zu einer Deeskalation im Streit über den Umgang mit Demonstrationen in Basel geführt. Eymann sagt dazu: «Wir müssen den Dialog weiterführen. Ich bin zu Gesprächen bereit.»