Eine junge Ärztin übernimmt eine Hausarztpraxis. Ihr zur Hilfe stehen will ein erfahrener deutscher Mediziner, der seit 20 Jahren als Hausarzt tätig ist. Das darf er aber nicht. Die Folge: Die junge Ärztin stemmt die ganze Arbeit alleine und ist am Limit. So lautet ein aktueller Fall aus dem Kanton Thurgau.
Der erfahrene Arzt im Beispiel erhält vom Kanton keine Zulassung, weil dies eine neue Bundesgesetzgebung verhindert. Seit diesem Jahr steht im schweizerischen Krankenversicherungsgesetz (KVG), dass ausländische Ärzte mindestens drei Jahre bei einer anerkannten Ausbildungsstätte gearbeitet haben müssen, um eine Zulassung in der Schweiz zu erhalten.
«Es werden weniger ausländische Ärzte praktizieren»
Wegen dieser Ausgangslage fehlen dem Kanton Thurgau Hausärztinnen und Hausärzte. Praxen finden keine Nachfolge, bedürftige Leute haben Mühe, einen Hausarzt zu finden, wenn sie beispielsweise umziehen, weil alle komplett ausgebucht sind. «Durch die Verschärfung im KVG werden weniger ausländische Ärztinnen und Ärzte im Thurgau praktizieren», sagt Kurt Baumann, Kantonsrat und Präsident des Verbandes Thurgauer Gemeinden.
Bereits geregelte Nachfolgen mussten wieder rückgängig gemacht werden. Solche Beispiele oder auch jenes der jungen Ärztin kennt Alex Steinacher, Präsident der Thurgauer Ärztegesellschaft. «Das wären probate Kolleginnen und Kollegen, die bestens geeignet gewesen wären, die die Region bereits kannten. Aufgrund der neuen Zulassungssteuerung ist die Bewilligungserteilung aber nicht möglich gewesen.»
Nationalrat: Es braucht Ausnahmen
Kurt Baumann hat deshalb einen Vorstoss im Kantonsparlament eingereicht. Eine Antwort steht zwar noch aus, der Vorstoss rennt bei Gesundheitsdirektor Urs Martin aber offene Türen ein. Der Regierungsrat sagt: «Der Bund hat ein Gesetz erlassen, das völlig daneben ist in jenem Sinn, dass es den Hausärztemangel verstärkt und nicht abschwächt.» Es gebe nun zwei Möglichkeiten, so Martin:
Entweder mogeln sich alle Kantone durch und wenden das Bundesgesetz nicht an. Aber das kann es ja nicht sein. Oder das Bundesparlament passt das Gesetz umgehend an.
In dieser Hinsicht tut sich was. Erst letzte Woche hiess es von der Gesundheitskommission des Nationalrats, es brauche Ausnahmen. Beispielsweise für erfahrene Ärztinnen und Ärzte, die schon lange in der Schweiz leben und arbeiten. So wäre auch die junge Ärztin aus dem Beispiel nicht am Anschlag.