Am Klimastreik rufen Demonstrierende nicht nur Parolen zu Klimamassnahmen. Es gibt auch laute Kapitalismuskritik. Die beiden Themen gehören zusammen, ist Juso-Vizepräsidentin Mirjam Hostetmann überzeugt: «Das Wirtschaftssystem ist auf Ausbeutung von Menschen und Natur ausgelegt. Man geht davon aus, dass man einfach alles nehmen kann, ohne einen Preis zu bezahlen im Moment».
Doch am Schluss müsse die breite Bevölkerung den Preis bezahlen, da sie die Folgen des Klimawandels mittragen müsse. Deshalb braucht es laut Hostetmann die «Initiative für eine Zukunft»: eine Erbschaftsteuer von 50 Prozent auf Nachlässe über 50 Millionen Franken.
Das Geld soll eingesetzt werden, um den Klimawandel zu bewältigen. «Sozial gerechter Klimaschutz bedeutet, dass die Superreichen dafür zahlen müssen», so Hostetmann.
Unternehmer kritisieren «Enteignung»
Simon Michel ist FDP-Nationalrat und gehört zu einer der reichsten Familien der Schweiz. Er und seine Geschwister müssten bei einer Annahme der Juso-Initiative mit der Erbschaft fast zwei Milliarden Franken Steuern bezahlen – sein Vater ist Hauptaktionär beim Medizintechnik-Konzern Ypsomed. Börsenwert: 5 Milliarden Franken.
Michel ist überzeugt, dass seine Familie Teil der Lösung und nicht Teil des Problems ist – gerade auch, weil sie als Unternehmer neue Technologien entwickeln, die CO₂ reduzieren. Die Initiative der Juso gefährde dies, sagt Ypsomed-Chef Michel: «Gewinne müssen in den Firmen bleiben. Mit diesen Gewinnen können wir Innovationen machen. Wenn wir uns enteignen lassen, haben wir die Gewinne nicht mehr und es passiert nichts.»
Vermögende wollen die Steuer umgehen
Ebenfalls von der Initiative betroffen wäre Ruedi Noser, ehemaliger FDP-Ständerat und IT-Unternehmer. Die Noser-Gruppe hat einen geschätzten Wert von 100 bis 200 Millionen Franken.
Da sein Vermögen in der Firma sei, müssten die Erben das Unternehmen verkaufen, um die Steuer bezahlen zu können. Noser nennt die Initiative deshalb «Unternehmens-Killer-Initiative»: «Hat es einen Sinn, jedes grosse Familienunternehmen in der Schweiz abzuschlachten für etwas, was man mit acht Millionen Schweizern nicht retten kann?».
Man müsse mit den Unternehmen zusammenarbeiten, um den Klimawandel zu besiegen, findet auch sein Sohn David Noser. Er politisiert in der GLP.
Kürzlich hat Ruedi Noser seinen Wohnsitz aus dem Kanton Zürich in den Kanton Schwyz verlegt – weil seine Partnerin dort wohne. Nun erklärt er, dass der wahre Grund die kantonale Erbschaftssteuer war. «Der Kanton Zürich kennt in direkter Nachfolge keine Erbschaftssteuer. Aber der Neffe muss 40 Prozent Erbschaftssteuer zahlen.»
Sein Neffe leitet ein Drittel der Noser-Gruppe. Ruedi Noser will ihn gleich behandeln wie seine Kinder. Also verlegte er den Wohnsitz in den Kanton Schwyz, der diese Steuer nicht hat: «Ich möchte, dass mein Göttibub und meine Kinder gleichgestellt sind.» Bei der Juso-Initiative würde er wohl einen Weg suchen, diese zu umgehen – sonst könne er die Firma nicht der nächsten Generation weitergeben.
Demokratie in «Geiselhaft» der Vermögenden
Dass Vermögende abwandern und die Schweiz damit weniger Steuereinnahmen hätte, sei eine Drohgebärde, die bei jeder Steuerdiskussion komme, kontert Juso-Präsident Nicola Siegrist. «Man nimmt der Demokratie die Freiheit weg, darüber zu entscheiden. Wir werden von den Superreichen in Geiselhaft genommen.» Die Erbschaftssteuer sei angemessen, denn die Bedrohung durch den Klimawandel sei gross und Reiche hätten eine grosse Verantwortung.