Manche Menschen arbeiten für ihr Geld. Andere lassen es für sich arbeiten. Dafür braucht man Kapital. Hat man dieses mit ehrlicher Arbeit selbst verdient, scheint der gesellschaftliche Gerechtigkeitssinn weitgehend gewahrt.
Hat man es allerdings geerbt, gehen die Wogen teils hoch. Denn ob man in den Genuss dieses Privilegs kommt, ist zu einem Grossteil Glücksache; der eigene Familienstammbaum lässt sich nicht auswählen.
Schwyz und Obwalden haben keine Erbschaftssteuer
Wer sich der Frage über die Gerechtigkeit des Erbens annähert, bewegt sich nicht nur in moralischen Gefilden. Es sind handfeste gesellschaftliche und ökonomische Konsequenzen, welche durch einfache Prozentsätze manifestiert werden.
In der Schweiz sind die Erbschaftssteuern kantonal geregelt, die Unterschiede gross. Einige Beispiele: Ein 43-jähriger Mann aus Lachen vermacht seiner 37-jährigen Schwester 500'000 Franken. Weil es im Kanton Schwyz keine Erbschaftssteuer gibt, erhält die Schwester den vollen Betrag.
In der Stadt Luzern sind bis zum Tod des einen Konkubinatspartners zwei 38-jährige Männer seit sieben Jahren in einer Beziehung. Weil sie nie zusammengelebt haben, können sie ihre «eheähnliche Beziehung», wie sie im kantonalen Gesetz betreffend Erbschaftssteuern verlangt wird, nicht nachweisen. Der Erblasser vermacht seinem Partner ebenfalls 500'000 Franken. 190'000 Franken muss der Hinterbliebene allerdings versteuern.
Wie neun andere Kantone machen Genf und die Waadt zwischen Konkubinatspartnerinnen bzw. -partnern und Nichtverwandten überhaupt keine Unterschiede. Die Erbschaftssteuer ist dabei hoch; in der Waadt muss bei einer Erbschaft von 500'000 Franken die Hälfte versteuert werden, in Genf sind es sogar mehr als die Hälfte.
Erbschaften erleichtern sozialen Aufstieg
Wer viel erbt, hat grössere Chancen auf ein erfolgreiches Leben. Es ist manchmal fast so, als würde das Startkapital beim Gesellschaftsspiel Monopoly zu Beginn ungleich verteilt. Genau, wie dann der am meisten bevorzugte Spieler die grösste Chance hat, das Spiel zu gewinnen, sind die Personen bevorteilt, welche viel erben: Wer dies früh im Leben tut, hat höhere Chancen auf einen Studienabschluss, einen hohen Lohn, eine gute Gesundheit, ja sogar Erfolg in Partnerschaften lässt sich darauf zurückführen.
In einer Studie betont Marc Szydlik, Professor für Soziologie an der Universität Zürich, zudem: «Empirische Ergebnisse zeigen, dass vor allem wohlhabende erwachsene Kinder von nennenswerten Vermächtnissen profitieren.» Oder zugespitzt formuliert: Reiche Familien bleiben reich, arme Familien bleiben arm.
Eine etwas andere Perspektive hat Christoph Schaltegger. Der Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern kommt zusammen mit der Ökonomin Melanie Häner in ihrer gemeinsamen Studie zum Schluss: Wer die soziale Dynamik über mehrere Generationen untersucht, stellt eine zunehmende Entkoppelung fest. So verwässere sich der Einfluss der Grosseltern auf den Erfolg der gegenwärtigen Generation bereits um die Hälfte, während für die Urgrosseltern gar keine statistisch zuverlässige Abhängigkeit mehr bestehe.
Was gerecht oder ungerecht ist, liegt letztlich in den Händen der Politik. Die verschiedenen Regelungen in den Kantonen lassen auf unterschiedliche Auffassungen schliessen.