- Der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse fordert gesetzgeberische Massnahmen gegen Stress und Erschöpfung am Arbeitsplatz.
- Unter anderem will er der psychischen Belastung von Arbeitnehmenden mit griffigeren Regeln zu Überstunden und mehr Ferien entgegenwirken.
- Immer mehr Menschen seien von arbeitsbedingtem Stress betroffen, so Travailsuisse.
Zu lange Arbeitstage, immer mehr Flexibilität, unklare Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben. In diesen Entwicklungen sieht der Gewerkschaftsdachverband die Ursache für zunehmenden Stress am Arbeitsplatz. Er sieht die Politik in der Pflicht – und fordert griffigere Regeln zur Arbeitszeit und mehr Ferien für alle.
Stress und Erschöpfung stellten die grösste Belastung für Beschäftigte dar, sagte Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich in Bern: «Mittlerweile kennen alle jemanden, der mit einem Burnout längere Zeit ausgefallen ist.» Der Fachkräftemangel bedeute für die Arbeitnehmenden eine höhere Belastung.
Ruf nach mehr Planbarkeit
Travailsuisse stellte an der gemeinsamen Medienkonferenz mit Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaft Syna, der Hotel- und Gastro-Union sowie dem Personalverband Transfair in Bern eine Analyse zum Thema vor.
Ansetzen will Travailsuisse unter anderem bei der Dienstplanung: Heute müssten Arbeitspläne in der Regel mit einem Vorlauf von nur zwei Wochen bekannt gegeben werden. Dies sei nicht mehr zeitgemäss, da in mehr Familien beide Elternteile einer Erwerbsarbeit nachgingen. Arbeit auf Abruf möchte die Organisation explizit verboten sehen.
Strengere Bestimmungen fordert der Verband auch bei den Regelungen der Ruhe- und Arbeitszeit. Denn in immer mehr Betrieben müssten Angestellte von morgens früh bis abends spät anwesend sein und erhielten lediglich zwischendurch ein paar Stunden Freizeit. Travailsuisse fordert daher, die Länge der Arbeitstage inklusive Tages- und Abendarbeit auf maximal zehn Stunden am Tag zu beschränken. Pro Tag soll noch maximal eine Stunde Überzeit erlaubt sein.
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Bis heute sehe das Arbeitsgesetz maximale Wochenarbeitszeiten von 45 respektive 50 Stunden vor, kritisiert der Verband. Dies, während andere Länder längst die 42- oder 40-Stunden-Woche eingeführt hätten. Es brauche eine erhebliche Reduktion.
Die Arbeitgeberseite fordert, dass wir alle noch länger arbeiten sollen – das ist zynisch.
Der frühere Berner SP-Nationalrat Wüthrich warf der Arbeitgeberseite vor, das unternehmerische Risiko auf die Arbeitnehmenden abwälzen zu wollen. Forderungen von bürgerlicher Seite nach einer Lockerung der Regelungen zur Arbeitszeit erteilte er eine Absage.
Eine solche Politik verschliesse die Augen vor den gesundheitlichen Risiken: «Die Arbeitgeberseite fordert, dass wir alle noch länger arbeiten sollen – das ist zynisch.» Der Motor des Arbeitsmarktes laufe auf Hochtouren. Die Arbeitnehmenden würden auf Effizienz, Effektivität und maximale Flexibilität getrimmt.
Weitverbreitetes Problem
In Umfragen gäben 40 Prozent der Arbeitnehmenden an, sie fühlten sich erschöpft, so Wüthrich. Als Gegenmassnahme verlangt Travailsuisse unter anderem mindestens sechs statt nur vier Wochen bezahlte Ferien für alle im Jahr, für Personen unter 20 Jahren deren sieben.
Zudem müssten Beschäftigte das Recht haben, ihr Pensum zu reduzieren, und mehr Einfluss auf die Festlegung ihrer Arbeitszeit erhalten. Heute sei es für viele kaum möglich, Kinder oder Angehörige zu betreuen, sich ehrenamtlich zu engagieren oder eine Weiterbildung zu absolvieren.
Nötig seien zudem Regelungen, die das Recht auf Erholung und Nicht-Erreichbarkeit in der Freizeit sicherstellten.