Bei der Umsetzung der Zuwanderungsinitiative zeichnet sich eine Lösung ab. Der Nationalrat hat das Konzept des Ständerats in den Grundzügen übernommen. Die Firmen sollen aber weniger administrativen Aufwand haben.
Das «Modell Müller» mit einem verschärften Inländervorrang setzte sich mit 99 gegen 66 Stimmen bei 29 Enthaltungen gegen das SVP-Modell für eine harte Umsetzung mit Kontingenten und Höchstzahlen durch.
- Zugestimmt hat der Nationalrat damit der Stellenmeldepflicht in Berufsgruppen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit sowie dem exklusiven Zugang inländischer Arbeitsloser zu den Inseraten.
- Die Firmen sollen aber weniger administrativen Aufwand haben: Das Resultat des Bewerbungsgesprächs muss der Arbeitsvermittlung bloss mitgeteilt werden – die Begründungspflicht fällt weg.
Eine weitere Grundsatzdebatte
Mit einer Breitseite gegen die vorliegenden Konzepte zum Inländervorrang war die SVP zuvor in die Differenzbereinigung bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinititative im Nationalrat gestartet.
Gregor Rutz (SVP) stellte eine eigentliche «Verweigerungsdebatte» fest: «Sie vergessen, dass Volk und Stände klar entschieden haben: Die Schweiz steuert ihre Zuwanderung eigenständig, mit jährlichen Höchstzahlen und Kontingenten.». Doch das Parlament wolle die Probleme nicht sehen.
Angesichts solcher Angstzustände sei es schwierig, vernünftige Entscheide zu fällen, so Rutz weiter: Es sei ein Armutszeugnis für das Parlament, das nun im Begriff sei, verfassungwidrige Gesetze zu beschliessen. «Es ist eine absolute Nullnummer, die Sie hier bringen. Bei dieser bedingungslosen Kapitulation gegenüber der EU machen wir nicht mit. In einer Demokratie gilt der jüngste Entscheid, sonst können wir sofort aufhören.»
Laut Cédric Wermuth (SP) liegt der grosse Vorteil am «Modell Müller» in der Symmetrie bei der Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es biete mit der Interviewpflicht die Chance auf eine Anhörung. Es sei ein eigentlicher Chancenartikel für alle, die schon lange Arbeit suchten, also eher ein «Arbeitslosen- denn ein Inländervorrang». «Herr Amstutz, die Show ist vorbei», sagte Wermuth an die Adresse des SVP-Fraktionschefs, der mit der Lösung zum Inländervorrang die heimischen Lehrlinge und Studienabgänger benachteiligt sah.
BDP-Präsident Martin Landolt übte sich als Stimme der Vernunft. Er rief die Räte dazu auf, sich für eine konstruktive Lösung einzusetzen, statt vor laufenden TV-Kameras für die eigenen Positionen zu weibeln: «Es ist jetzt an der Zeit, dass Sie sich für eine Kompromisslösung einsetzen und den Krieg der Eitelkeiten beenden.» Landolt sprach sich im Namen seiner Fraktion für das «Modell Müller» aus. Die Debatte sollte sich jedoch noch länger um «Grundsätzliches» drehen, wie Bundesrätin Simonetta Sommaruga bemerkte.
Matthias Jauslin (FDP) erklärte für seine Fraktion, dass die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative auf ziemlich labilem Fundament stehe und noch diverse Anpassungen nötig seien. Es sei klar, dass auch das «Modell Müller» den Verfassungstext nicht vollumfänglich umsetze: «Wir sind aber sehr nah dran.» Die Unterschiede zum Ständerat seien aber nicht so gross. Mit der Einflussnahme auf den Arbeitsmarkt soll die Zuwanderung gesteuert werden.
Laut Ruth Humbel (CVP) hat das von der ständerätlichen Kommission abgeschwächte «Modell Müller» schwerwiegende Mängel. So sei dessen einziges Kriterium die Arbeitslosigkeit. Weitere Indikatoren wie Lohn- sowie Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung seien aber ebenso wichtig. Zudem könnten sich bei den regionalen Arbeitsvermittlungsämtern alle EU-Bürger melden, die zur Stellensuche in der Schweiz sind, wie auch alle Grenzgänger. Es sei somit keine Massnahme, um die Zuwanderung zu reduzieren.
Der Bundesrat hofft, dass Sie sich hier noch finden werden bis zur Schlussabstimmung.
«Eigentlich sind wir hier ja im Differenzbereinigungsverfahren, um eine Lösung für die Schlussabstimmung zu finden», sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga angesichts der erneuten Grundsatzgefechte. Es gehe nicht zuletzt um die Ratifizierung des Kroatien-Protokolls und um «Horizon 2020», ergänzte sie mit Blick auf eine dringend nötige FZA-kompatible Lösung im Parlament. «Sie haben sich aber bereits in der Herbstsession entschieden, die bilateralen Verträge nicht aufs Spiel zu setzen. Entsprechend mussten Sie sich vom Verfassungstext entfernen.»
Sommaruga erinnerte zugleich an den Grundsatzentscheid des Bundesrats für einen Gegenentwurf zur Initiative «Raus aus der Sackgasse» (Rasa) bei einer FZA-kompatiblen Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative: «Das ist ein starkes Zeichen für die direkte Demokratie.»