Eine religiöse Heirat ohne vorherige Ziviltrauung ist illegal und ungültig in der Schweiz. Es gilt das sogenannte Primat der Ziviltrauung. Doch diese gesetzliche Bestimmung wird immer wieder missachtet.
Christliche eritreische Gemeinschaften, Hindus, Muslime, aber auch Freikirchen führen religiöse Vermählungen durch, ohne dass die Paare zivil verheiratet sind.
Sozialer Druck
Dies geschieht immer wieder, um junge Frauen, die sich gar nicht vermählen wollen, zu binden und mit einem von der Familie Auserwählten zusammenzubringen. Es sind Zwangsheiraten.
Obwohl die Trauungen gesetzlich nicht zulässig sind, könnten sich viele Frauen nicht aus den erzwungenen Ehen befreien, sagt Anu Sivaganesan, die Präsidentin der Fachstelle Zwangsheirat: «Die Heirat ist für die Beteiligten sozial bindend. Aus Sicht der Familie und der Gemeinschaft gilt die religiöse Eheschliessung als die richtige Heiratsform.»
So erlebte es auch die junge Frau, die wir Laura nennen. Es ist nicht ihr richtiger Name. Denn weil sie aus ihrem Umfeld bedroht wird, soll sie nicht erkannt werden. Laura war als Kind mit ihrer Familie aus einem Land, in dem ein Krieg tobte, in die Schweiz geflüchtet.
Laura wurde als gut 18-Jährige gegen ihren Willen in der Moschee im Haus der Religionen in Bern mit einem Verwandten verheiratet. Zivil getraut waren sie nicht. Obwohl alle in der Familie die Ehe wollten und ihr niemand half, entschloss sie sich einige Monate später, mit der Familie zu brechen und zu fliehen.
Laura ist nicht die einzige, die im Haus der Religionen zwangsverheiratet wurde. Einer Institution, die unter ihrem Dach acht Glaubensgemeinschaften vereint und ein breites Programm zum kulturellen Austausch anbietet.
«SRF Investigativ» weiss von einem halben Dutzend Fällen, in denen in der Moschee im Haus der Religionen religiöse Trauungen ohne vorherige zivile Heirat vorgenommen wurden und die zu Zwangsehen führten.
Entsetzen und Empörung
Regula Mader, die Präsidentin des Vereins Haus der Religionen, ist erschrocken, «dass das in unserem Haus passiert sein soll». Sie sei sehr empört darüber, sagt Mader. Der Verein prüfe nun eine Strafanzeige.
Die Trauungen in der Moschee nahm ein Imam vor, den Mustafa Memeti, der Leiter des muslimischen Vereins und Imam im Haus der Religionen, laut eigenen Angaben nicht kennt. Die Moschee sei missbraucht worden: «Wir sind fassungslos.»
Geld von der Stadt Bern
Das Haus der Religionen erhält von der Stadt Bern jährlich 300'000 Franken. Das Geld komme nicht den religiösen Gemeinschaften zugute, sondern werde für das Kulturprogramm gesprochen, betont die Stadt. Dennoch hält die Leiterin der Kulturabteilung fest, die Geldgeberin verurteile die Vorkommnisse.
Das Primat der Ziviltrauung durchzusetzen und Zwangsheiraten zu erkennen, ist in der Praxis äusserst schwierig. Einerseits sind Verstösse dagegen kaum feststellbar, andererseits wollen sich nur wenige Zwangsverheiratete rechtlich wehren.
Markus Stoll, der Leiter der Abteilung Zivilstandswesen im Kanton Zürich, stellt etwa fest, dass die Betroffenen meist Angst hätten und keine Strafanzeige wollten. Da sei das Vorgehen ein Balanceakt, weil Straftaten vom Gesetz her angezeigt werden müssten.