Gemäss der neusten Pisa-Studie fühlen sich in keinem andere Land Europas mehr Schülerinnen und Schüler von Mobbing betroffen als in der Schweiz. Mobbing im Internet, sogenanntes Cybermobbing, steht nicht im schweizerischen Strafgesetzbuch. Es gibt aber die Straftatbestände Pornografie, Gewaltdarstellungen, Ehrverletzung, Drohung und Nötigung und weitere.
Österreich geht aber einen anderen Weg. Dort ist seit vier Jahren ein Straftatbestand zu Cybermobbing in Kraft. Bei Experten ist umstritten, ob es einen neuen Straftatbestand braucht, denn ein solches Gesetz wäre vor allem von symbolischer Bedeutung. SRF News hat einen Befürworter und eine Gegnerin befragt:
Pro: Dirk Baier, Soziologe
«Cybermobbing ist ein zunehmendes Phänomen, es besteht ein gewisser Handlungsdruck. Das bestehende Gesetz deckt zwar vieles ab, aber es lässt sich nur mit Anstrengung auf die Besonderheiten des Cybermobbing übertragen, etwa dass Drohungen im Netz entgrenzt sind.
Ausserdem würde ein Straftatbestand Cybermobbing den Opfern zu einer stärkeren Position verhelfen, sie ermächtigen. Ein Straftatbestand Cybermobbing wäre für Jugendliche ausserdem besser verständlich und könnte sie zum Handeln animieren. Ein Gesetz führt auch zu einer gesellschaftlichen Diskussion und zu einem Bewusstsein für das Problem. Im Zuge dessen wäre es einfacher, Präventionsangebote zu entwickeln.»
Contra: Barbara Altermatt, Jugendanwältin
«Im Cybermobbing stehen lauter Delikte zur Diskussion, die durch die aktuelle Gesetzgebung abgedeckt sind. Es gibt keine Gesetzeslücke. Es ist eine Qualität unseres Gesetzes, dass es nicht auf aktuellen technischen Gegebenheiten aufbaut, sondern Delinquenz ahndet. Das Strafgesetz soll Verhaltensweisen strafen, die nicht akzeptabel sind. Es ist der falsche Ort für Symbole. Der Abschreckungsgedanken verträgt sich auch nicht mit dem Jugendstrafrechtsgedanken. Dort steht der erzieherische Aspekt im Vordergrund. Das Jugendstrafrecht ist so ausgerichtet, dass straffällige Jugendliche mit geeigneten Schutzmassnahmen und Strafen in ihrer Entwicklung und Übernahme von Verantwortung gefördert werden. Kriminelle Karrieren sollen vermieden werden.»
«10vor10», 25.02.2020, 21:50 Uhr; kurn;