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Zweieinhalbstündige Debatte Steuer-AHV-Kompromiss kommt bei SP-Delegierten durch

Der Entscheid fiel mit 148:68 Stimmen für die Vorlage. SP-Präsident Levrat attackierte zuvor Ignazio Cassis heftig.

Die SP-Delegierten haben an der ausserordentlichen Delegiertenversammlung in Olten der gemischten Steuerreform/AHV-Vorlage zugestimmt. Der Entscheid fiel nach einer zweieinhalbstündigen Diskussion mit 148 zu 68 Stimmen bei fünf Enthaltungen.

Die SP war derart gespalten, dass die Diskussion schon im Voraus kanalisiert wurde. Je 15 Rednerinnen und Redner pro Lager durften ihre Argumente vortragen, die Redezeit war beschränkt.

Alain Berset: Die Gelegenheit dürfe man nicht verpassen

Bundespräsident Alain Berset betonte zuvor in seiner Rede, dass der Steuer-Kompromiss aus sozialdemokratischer Sicht nicht ideal sei, aber man bekomme kein besseres Gesetz.

Wenn man dem Paket jetzt nicht zustimme, werde man sich später über eine verpasste Gelegenheit ärgern. Man müsste sich vorwerfen lassen, die AHV zu schwächen. Die Politik funktioniere nur mit Kompromissen. Diese Vorlage sei ein guter Kompromiss.

Gegner: Neue Steuerprivilegien

Mit dem Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) würden neue Steuerprivilegien eingeführt, sagte Nationalrätin Mattea Meyer (ZH), eine der Gegnerinnen der Vorlage. Zudem werde mit der Bundesmilliarde an die Kantone ein staatlich verordneter, interkantonaler Steuerwettbewerb durchgeführt.

Dieser Deal sei nicht gerecht, stellte Nationalrat Fabian Molina (ZH) fest. Man müsse die 60 Prozent der USR-III-Gegner endlich ernst nehmen und Schluss machen mit Steuergeschenken an die Reichen.

Die SP-Spitze verkaufe den Kuhhandel mit neuen Steuerprivilegien als gute Vorlage, kritisierte Stefan Rüegger (ZH), der stellvertretende Generalsekretär der SP Zürich. Die Vorlage sei inhaltlich und strategisch schlecht, meinte Juso-Chefin Tamara Funiciello. Es gebe Alternativen.

Befürworter: AHV vor dem freien Fall retten

Bei einem Nein werde der Steuerwettbewerb unter den Kantonen noch brutaler, warnte demgegenüber Nationalrätin Susanne Leutengger Oberholzer (BL), eine der Befürworterinnen. Von den zwei Milliarden Franken für die AHV würden sehr viele profitieren. Zudem würden viele Steuerschlupflöcher gestopft, sagte SP-Fraktionschef Roger Nordmann (VD).

Die AHV sei derzeit im freien Fall, meinte Ständerätin Anita Fetz (BS). Jetzt müsse dafür gesorgt werden, dass dieses Sozialwerk gesichert werde. Der Kompromiss trage dazu bei. Bei einem Nein habe man ein Problem bei der AHV und bei den Steuern nichts gewonnen.

Verschiedene Pro-Redner wiesen zudem darauf hin, dass der Kampf gegen Steuerprivilegien in den Kantonen geführt werden müsse. Das Schlusswort hatte Parteipräsident Christian Levrat. Er verstehe die Gegner, die mit ihren Visionen und Forderungen nach einem gerechten Steuersystem die Vorlage ablehnten. Die STAF-Vorlage könne diese Forderungen nicht voll erfüllen, gehe aber einen grossen Schritt in diese Richtung.

Weitere Entscheide der SP-Delegiertenversammlung

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Einstimmig sprachen sich die SP-Delegierten für die Unterstützung der so genannten Korrektur-Initiative aus. Eine überparteiliche Allianz will damit Waffenexporte in Länder mit systematischer und schwerwiegender Verletzung der Menschenrechte und in Bürgerkriegsländer verhindern.

Grossmehrheitlich sagten die SP-Delegierten auch zur Hornkuh-Initiative, über die das Schweizer Volk am 25. November abstimmen wird. Die Initiative verlangt, dass der Bund künftig für horntragende Nutztiere Direktzahlungen ausrichtet.

Keine Urabstimmung

Der Entscheid der SP ist definitiv. Ein Antrag der SP Neuenburg, den Entscheid mittels einer Urabstimmung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, wurde grossmehrheitlich verworfen. Ebenfalls grossmehrheitlich abgelehnt wurde zu Beginn der STAF-Debatte ein anderer Antrag der SP Neuenburg, die Diskussion auf den Parteitag vom 1. und 2. Dezember in Brugg zu verschieben.

Zuvor hatte SP-Parteipräsident Christian Levrat in seiner Rede zum Auftakt der ausserordentlichen Delegiertenversammlung Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) ins Visier genommen.

Er kritisierte dessen Tätigkeit im Rahmen der UNO-Vollversammlung in New York und dessen Bemühungen, eine neue Aussenpolitik zu formen. Die gesamte UNO-Vollversammlung habe über die Rede von US-Präsident Donald Trump gelacht. Cassis sei der einzige gewesen, der Verständnis für Trump gezeigt habe und gefunden habe, man müsse auch ihm zuhören, kritisierte Levrat.

Wenn Cassis einen Konflikt will, dann wird er uns finden.
Autor: Christian Levrat Parteipräsident SP / Ständerat FR

Cassis wolle auch die Aussenpolitik umkrempeln, sagte Levrat. Er habe dafür eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in der allerdings nur Vertreter der Wirtschaft sässen. So werde es nicht gehen, gab sich Levrat kampfeslustig. Die SP werde selber eine sozialdemokratische Vision der Aussenpolitik entwerfen.

Nur kurz streifte Levrat das Thema Bundesratswahlen. Darüber sei in den Zeitungen in belanglosen Artikeln genug geschrieben worden. Die SP Schweiz werde sich am Parteitag Anfang Dezember, also kurz vor den Bundesratswahlen, eingehend damit befassen.

Grüne ergreifen Referendum gegen AHV-Steuerdeal

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Nach den Jungparteien von Grünliberalen und SVP ergreifen auch die Grünen Schweiz das Referendum gegen den AHV-Steuerdeal. Dies hat der Vorstand beschlossen. Die Partei will «mehr und nicht weniger Steuergerechtigkeit». Mit der Steuervorlage 17 ersetze die Schweiz die bisherigen Steuerschlupflöcher für Konzerne durch neue und heize das Steuerdumping weiter an, begründete die Partei in einer Mitteilung die Entscheidung.

Die Grünen ergreifen das Referendum gemeinsam mit den Jungen Grünen und anderen Organisationen aus dem grün-roten Spektrum. Im Referendumskampf nicht zusammenarbeiten wollen die Grünen mit Organisationen, welche die AHV-Stabilisierung ablehnen und die AHV-Solidarität in Frage stellen. Die Partei erinnert daran, dass sie das AHV-Finanzierungspaket unterstützt, aber vergeblich die Auftrennung des Deals verlangt hatte.

Die Steuervorlage 17 serviere in leicht angepasster Form erneut, was die Stimmbevölkerung mit der Unternehmenssteuerreform III vor einem Jahr wuchtig abgelehnt hatte, heisst es in der Mitteilung. In vielen Kantonen komme es heute zu Steuerausfällen, weil auch mit der neuen Vorlage Grosskonzerne mit Steuerprivilegien begünstigt würden. Mit der Senkung der Gewinnsteuern werde überdies der nationale und internationale Steuerwettbewerb befeuert.

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