Seit November spielt der Film «Die letzte Pointe» von Rolf Lyssy in den Schweizer Kinos. 100'000 Personen haben ihn bereits gesehen – für einen Schweizer Film ein grosser Erfolg.
Nun spielt er an den Solothurner Filmtagen mit Monica Gubser (87) in ihrer ersten Hauptrolle. Die aus «Die Herbstzeitlosen» bekannte Solothurner Schauspielerin ist im Film eine 89-Jährige, die meint, dement zu sein.
SRF: Monica Gubser, Sie spielen in «Die letzte Pointe» eine 89-Jährige, die mit ihrem Alter hadert und sterben will. Wie gehen Sie als 87-Jährige mit dem Alter um?
Monica Gubser: Ich gehe mit dem Alter sehr gut um. Wenn Leute sagen, das Alter sei furchtbar, kann ich das nicht begreifen. Vorausgesetzt man ist gesund. Ich habe auch meine kleinen Gebresten, über die rede ich aber gar nicht, die hat jeder alte Mensch, Arthrose oder sowas. Aber generell geht es mir gut. Dass der Kopf noch funktioniert, dass ich drei Söhne habe in der Gegend und elf Enkelkinder und zwei Urenkel ist ein Geschenk.
Ich empfinde das Alter als Geschenk und nehme jeden Tag, wie er kommt
Haben Sie Verständnis für jemanden wie ihre Filmfigur Gertrud Forster, die sterben will, die selbstständig über ihren Tod bestimmen will?
Man hat mich oft gefragt, ob ich das könnte. Also wenn ich spüren würde, dass ich dement würde, dass ich mir dann etwas antun könnte. Und ich muss immer das Gleiche sagen: Ich weiss es nicht. So gut wie es mir jetzt geht, glaube ich es nicht. Aber ich weiss ja nicht, wie es mir einmal geht, wenn ich ganz starke Schmerzen hätte, ob ich dann froh wäre, wenn mir jemand helfen würde, dass ich gehen könnte.
Mit 16 Jahren haben Sie die Schauspielschule in Zürich besucht und standen als junge Frau auf der Theaterbühne, spielten grosse klassische Rollen. Möchten Sie denn nochmals jung sein?
(Ohne zu zögern:) Nein! Nein, das möchte ich nicht mehr. Nein. Es hat alles seine Zeit. Ich hatte eine schöne Jugendzeit. Ich hatte ein reiches Leben. Es war nicht immer einfach, aber zurück möchte ich nicht mehr. Aber ich möchte etwas anderes. Ich denke an Reinkarnation und glaube, dass ich zurückkommen werde.
Als was?
Sicher als Mensch. Viele Leute sagen, sie würden dann ein Schmetterling oder ein Frosch oder so. Also das nicht (lacht). Ja, als Mensch. Und ich glaube, dass ich das, was ich mitbringe, in einem neuen Leben anwenden kann.
Nimmt es Ihnen die Angst vor dem Tod, wenn Sie glauben, dass Sie zurückkommen werden?
Ja, schon.
SRF: Monica Gubser, mit 16 Jahren gingen Sie zur Schauspielschule, mit 24 Jahren gaben Sie die Schauspielerei dann auf, entschieden sich, eine Familie zu gründen, haben einen Solothurner geheiratet und wurden Familienfrau und Wirtin. Sie haben das «Chez Derron» geführt, das heutige Restaurant «Baseltor». Wie schauen Sie auf diese Zeit zurück?
Monica Gubser: Das war eine sehr gute Zeit. Bevor ich geheiratet habe, war ich vier Jahre am Theater in Solothurn. Das war sehr streng, wir hatten fast alle zwei Wochen eine Premiere, ich habe viel gespielt, habe grosse Rollen gespielt, habe gerne gespielt. Aber ich habe mich bewusst vom Theater verabschiedet, habe drei Kinder bekommen und die Wirteschule gemacht. Ich habe mich voll und ganz in diesen Beruf hineingegeben. Das war eine reiche Zeit.
Man sagt, das «Chez Derron» habe weit und breit die beste Bouillabaisse gehabt.
Ja, das ist wahr (lacht). Mein Schwiegervater war Koch, machte die Lehre in Frankreich und brachte diese Bouillabaisse nach Solothurn. Über die Jahre wurde sie dann verfeinert. Früher hat man die Fische einfach in die Pfanne getan, ohne die Gräte zu entfernen. Unter uns war es dann so, dass man die Gräte entfernt und die Fische filetiert hat. Ja, wir waren bekannt für eine gute Bouillabaisse. Und ich koche sie manchmal heute noch.
Später hat man Sie wiederentdeckt, zurück auf die Bühne geholt und vor die Kamera. Jetzt sind Sie 87 und spielen immer noch. Ist es nicht Zeit, es ruhiger anzugehen?
Nein, für mich nicht. Ich finde, solange man kann und will, soll man irgend etwas tun. Egal was. Alte Leute, die nichts mehr tun, wirken noch älter als sie sind. Solange ich noch Freude habe am Beruf, werde ich ihn ausüben. Solange sie mich wollen und ich kann.
Das Gespräch führte Marco Jaggi.