Im Solothurner Kantonsparlament herrscht ein reges Kommen und Gehen. Seit der letzten Wahl im Jahre 2017 ist jede vierte Kantonsrätin, bzw. jeder vierte Kantonsrat zurückgetreten. An ihre Stelle sind weniger erfahrene Ersatzleute «nachgerutscht». Ist das schlimm?
Näder Helmy hält wahrscheinlich den Rekord. Nachdem SP-Kantonsrätin Franziska Roth 2019 in den Nationalrat gewählt wurde, nahm Helmy ihren Platz im Kantonsparlament ein. Nach nur einem halben Jahr trat er allerdings wieder zurück und musste seinerseits ersetzt werden.
«Kantonsrat sein ist sehr zeitaufwändig, wenn man es richtig machen will», begründet Näder Helmy sein äusserst kurzes Gastspiel. Als Chefarzt am Bürgerspital Solothurn, Vorstandsmitglied in der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie und Gemeinderat der Stadt Solothurn wurde ihm das Amt als Kantonsrat einfach zu viel.
Mit seiner kurzen Amtszeit mag Näder Helmy eine Ausnahme sein. Dass Kantonsrätinnen und Kantonsräte mitten in der Amtszeit zurücktreten, kommt hingegen oft vor. Seit der letzten Wahl vor vier Jahren haben 26 von 100 Kantonsrätinnen und Kantonsräten den Rücktritt eingereicht und wurden durch Leute ersetzt, welche die Wahl verpasst hatten. Zum Vergleich: In der Amtsperiode zuvor (2013-2017) gab es 16 Rücktritte.
26 Rücktritte in nicht einmal vier Jahren sind viel. Aber ist es ein Problem? «Jein» lautet die Antwort von zwei alten Hasen. Einerseits brauche es Parlamentarier mit Erfahrung, um der Regierung Paroli bieten zu können, meint Urs Huber. Der SP-Kantonsrat sitzt mit einem kleinen Unterbruch seit 1989 im Solothurner Kantonsparlament. Andererseits bringen neue Kräfte auch frischen Wind und neue Ideen in ein Parlament, sagt Huber.
Die Neuen bringen frischen Wind…
Dass Rücktritte von Politikerinnen Vor- und Nachteile haben, sieht auch Hubert Bläsi so. Er ist seit 20 Jahren FDP-Kantonsrat. Ein Nachteil sei, dass Netzwerke auseinanderbrechen. Diese seien aber wichtig, um politische Entscheide herbeizuführen. Es komme auf eine gesunde Balance zwischen Erfahrenen und Neuen an.
Jonas Hufschmid verweist darauf, dass Rücktritte immer auch eine Chance seien für Junge, neu ins Parlament zu kommen. Der CVP-Politiker hat selber auf diese Weise den Einzug in den Kantonsrat geschafft – mit 25 Jahren. Mit 28 Jahren gab er dann allerdings aus beruflichen Gründen bereits seinen Rücktritt.
Damit das Parlament gut funktioniere, dürfe es nicht zu viele Rücktritte geben, sagt Hufschmid. 26 Rücktritte in einer Legislatur seien an der oberen Grenze. «Ich habe das bei mir selber gesehen: Es dauert ein halbes bis ein ganzes Jahr, bis man wirklich im Kantonsrat angekommen ist. Es ist also gut, wenn es auch erfahrene Parlamentarierinnen und Parlamentarier dabeihat».
…die Älteren haben viel Erfahrung
Dass viele Rücktritte eine Partei belasten können, mussten die Grünen erfahren. Mehr als die Hälfte ihrer gewählten Kantonsrätinnen und Kantonsräte haben das Parlament seit 2017 verlassen. Nachgerutscht ist unter anderem Myriam Frey. Zum Glück seien die Neuen wenigstens erfahrene Gemeindepolitiker gewesen, meint Frey, sonst wäre es wohl schwierig geworden.
Sind die vielen Rücktritte auch ein Problem aus demokratischer Sicht? Nein, meint der zurückgetretene Jonas Hufschmid. Die Nachrutschenden seien ja auch gewählt worden vor vier Jahren, halt einfach nicht ins Parlament, sondern auf einen hinteren Listenplatz, als Ersatzleute.