Im zweiten Wahlgang für den Walliser Staatsrat hat die FDP mit dem Quereinsteiger Frédéric Favre nach vier Jahren einen Regierungssitz zurückerobert. Favre verdrängt damit SVP-Staatsrat Oskar Freysinger aus der Kantonsregierung.
SRF News: Oskar Freysinger ist abgewählt, weil seine Wahlstrategie in sich zusammengefallen ist und weil sich das ganze Wallis gegen einen einzigen Kandidaten der SVP verschworen hat. Stimmt das so?
Priska Dellberg: Man kann das so sagen. Oskar Freysinger ist zu einem grossen Teil selber schuld am Ergebnis. Im ersten Wahlgang ist er auf Platz sechs gelandet. Und auch im zweiten Wahlgang ist das gleiche herausgekommen. Das ist die Quittung für eine falsche Wahlkampf-Strategie und vor allem für sein Verhalten in den vergangenen vier Jahren.
Ich habe den Eindruck, dass vor allem sein wenig staatsmännisches Auftreten, seine Besuche bei Rechtsnationalisten im Ausland, aber auch seine Personalpolitik in der Summe dazu geführt haben, dass er heute abgestraft wurde.
Im Wallis ist nämlich eine Bewegung entstanden: Immer mehr Leute haben den Slogan einer Protestbewegung gegen Freysinger aufgenommen, «wir schneiden ihm den Weg ab» und haben ihn nicht mehr gewählt. Das haben Wähler gemacht, weit über die Basis der FDP hinaus, die für Frédéric Favre gestimmt haben. Viele CVP-Wähler haben für Favre gestimmt, aber auch Grüne und SP-Wähler. In diesem Sinne stimmt es schon, dass sich seine politischen Gegner gegen Freysinger «verschworen» haben.
Mit Frédéric Favre ist jetzt ein junger, 37 Jahre alter Quereinsteiger gewählt worden. Er ist erst seit einem Jahr bei der FDP und wurde nur gewählt, weil die starke CVP empfohlen hat, ihn zu unterstützen. Ist er «nur» ein FDP-Staatsrat von CVPs Gnaden oder ist er eigenständig?
Frédéric Favre hat in den letzten Wochen einige sehr gute Auftritte gehabt. Aber er bleibt ein «Überraschungs-Ei» – man weiss noch nicht, was man an ihm hat. Er ist jung und unverbraucht und sicher auch ein Vertreter einer neuen Generation. Mit Favre gewinnt aber die FDP auch ihren Sitz in der Regierung zurück, den sie vor vier Jahren verloren hat. Der 37-jährige Personalchef der Migros Wallis war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und gilt als rechtsbürgerlicher Vertreter mit liberalen Ansichten in gesellschaftlichen Fragen.
Im Wallis verträgt es demnach an den Extremen links oder rechts offenbar nicht so viel? Vier Jahre Freysinger hat man ausgehalten – das aber jetzt mit Favre korrigiert. Und mit Stéphane Rossini wollte man im Wallis wohl nicht noch mehr «Links» in der Regierung?
Das gilt vermutlich für die Mehrheit in der Schweiz, dass Wähler Kompromisse suchen und dass extreme Positionen links oder rechts irgendwann nicht mehr goutiert werden. Darum wurde wohl auch Roberto Schmidt (CSPO) breit unterstützt und sehr gut gewählt. Der Oberwalliser ist bekannt als Wahlkampf-Lokomotive und hat sogar die beiden Unterwalliser CVP-Vertreter Jacques Melly und Christophe Darbellay auf die hinteren Plätze verwiesen.
Esther Waeber-Kalbermatten (SP) konnte viele überzeugen – mehr noch als vor vier Jahren. Ihr Parteikollege Stéphane Rossini blieb aber ohne Chance. Insgesamt ist das alles wenig erstaunlich in einem Kanton, in dem die bürgerliche Mitte CVP und FDP zusammen gut 60 Prozent Wähleranteil umfasst. So wäre es nicht sehr passend, heute eine Mitte-links-Regierung zu haben.