Wir tun es fast alle täglich: Wir drücken auf «Alles akzeptieren» bei den Cookie-Bannern, die uns auf Webseiten und Apps begegnen. Vereinfacht erklärt, geben wir so unser Einverständnis dazu, dass Hunderte von Firmen unsere Daten für Werbung nutzen können. Diese Firmen können unser Surfverhalten analysieren und Profile anlegen, um uns dadurch individuell zugeschnittene Werbeanzeigen zu schalten.
Lange Zeit galt personalisierte Werbung über sogenanntes Programmatic Advertising als eine Art heiliger Gral der Werbebranche. Doch in den letzten Jahren häufte sich die Kritik. So zeigten SRF-Recherchen, dass das Datensammeln durch Werbefirmen extreme Ausmasse angenommen hat.
Doch in der Branche gibt es nun – zumindest teilweise – ein Umdenken.
Neuer Umgang mit Datenschutz gefordert
Martin Radelfinger ist als Präsident von IAB Schweiz, dem Schweizer Ableger des Internationalen Branchenverbands, ein wichtiges Sprachrohr der Branche. Der Verband vertritt die Interessen des Online-Marketing-Markts.
Radelfinger gibt im SRF-Podcast «Die Cookiefalle» zu, dass die Komplexität mittlerweile enorm sei: «Selbst ich als Profi komme an die Grenze dessen, was ich technisch verstehe.»
Das wahllose Sammeln von Daten ist nicht mehr zeitgemäss.
Vor 25 bis 30 Jahren habe man sich die Frage der Verhältnismässigkeit noch nicht gestellt. «Heute ist ein anderer Umgang mit Privacy angesagt – das wahllose Sammeln von Daten ist nicht mehr zeitgemäss», so Radelfinger selbstkritisch. «Wir sind mit diesem System überbordet.» Dass die Werbeindustrie täglich Milliarden von Nutzerdaten sammle, sei weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll.
Datenverkauf an Kriminelle
Ein weiteres Problem beim Tracking zu Werbezwecken: Die Partner werden kaum überprüft. Mittlerweile ist es unmöglich, zu kontrollieren, was mit den teils sehr sensiblen Daten geschieht. Niemand hat die Übersicht, wer die Partnerfirmen von Cookie-Bannern sind und ob sie sich an die Regeln halten. So wird etwa ein Teil der Daten auf Schattenmärkten verkauft.
Auch ob die Informationen, die wir freigeben, wirklich nur für Werbezwecke genutzt werden, wird in der Cybersecurity-Fachwelt heute angezweifelt. Es gibt Datenhandelsfirmen, die in der Vergangenheit hohe Bussen bezahlen mussten, weil sie massenhaft Daten wissentlich an Scammer und Betrügerinnen verkauft haben. Ein Beispiel dafür ist der Fall Epsilon: Die besagte Datenhandelsfirma hat über Jahre hinweg sensible Daten an Kriminelle weitergegeben.
IAB-Präsident Martin Radelfinger ist überzeugt: «Konsumentinnen und Konsumenten müssen besser informiert werden und an der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Weitergabe von Daten teilnehmen. Auch die Behörden müssen an Bord sein.»
Die Frage, ob Cookie-Banner überhaupt noch eine Zukunft haben, beantwortet Radelfinger klar mit Ja: «Im Moment ist es die wirksamste, wenn auch nervige Art zu gewährleisten, dass eine aktive Zustimmung überhaupt stattfindet.»
Aufwändig recherchierte Geschichten, die in der Schweiz zu reden geben. Ob Wirtschaftsskandal, Justizkrimi oder Politthriller – in News Plus Hintergründe gibt es die ganze Story.
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