Alle vier Jahre wählt die Schweiz am zweitletzten Sonntag im Oktober ihr neues Parlament. Und dieses Jahr ist es wieder so weit. Wie hat sich dieser Wahlkampf von den Wahlkämpfen der letzten Jahre unterschieden? Was hat ihn geprägt? Welche Themen waren entscheidend? Was sagen die letzten Prognosen? Womit ist am Wahlsonntag zu rechnen? Welche offenen Fragen haben Sie noch?
Unsere Bundeshaus-Korrespondentin Christa Gall hat Ihre Fragen von 11 bis 13 Uhr im Livechat beantwortet.
Chat-Protokoll:
Guten Tag Mich interessiert: Wenn jemand im Vorfeld der Wahlen die Stimmen bereits brieflich eingereicht hat, aber vor dem Wahltermin stirbt: Sind dann diese Stimmen gültig. Freundliche Grüsse
Christa Gall: Da die eingegangenen Wahlzettel nicht darauf überprüft werden, ob derjenige, der den Zettel ausgefüllt hat, noch lebt, gehe ich nicht davon aus, dass der Zettel im Falle eines Ablebens nicht gezählt würde.
Haben die Grünen bereits angekündigt, ob sie, selbst wenn sie weniger als 10 % der Stimmen erhalten sollten, einen Sitz im Bundesrat anstreben werden? Steht die Zauberformel überhaupt in Gefahr?
Christa Gall: Grundsätzlich ist die Zauberformel nicht in Stein gemeisselt. Im Moment gehe ich nicht davon aus, dass sie nach den Wahlen verändert wird. Es könnte laut Wahlbarometer zwar sein, dass die Mitte die FDP anteilsmässig überholt. In der Regel wird aber ein Bundesrat bei solchen Veränderungen nicht abgewählt. Laut dem SRG-Wahlbarometer drohen die Grünen unter die psychologisch wichtige Schwelle von 10 Prozent zu fallen. Die Grünen haben meiner Meinung nach nicht von der 10-Prozent-Hürde gesprochen. Es würde aber für die Grünen schwierig werden, einen Bundesratssitz zu fordern, wenn sie unter die 10-Prozent-Hürde fallen.
Wie kann ich mir sicher sein, dass die Stimmen korrekt ausgezählt werden und dass Briefstimmen nicht einfach irgendwoher «auftauchen» oder «vergessen gehen»? Gerade für Orte, die von einer Partei dominiert werden, mache ich mir Sorgen.
Christa Gall: Es ist schon vorgekommen, dass ein Stimmzähler versucht hat, zu manipulieren. Oder auch, dass ein Stapel «vergessen» wurde. Bei den Stimmzählern und Stimmzählerinnen gehe ich davon aus, dass eine gewisse soziale Kontrolle untereinander ausgeübt wird. Weiterhin gilt rechtlich: Vergehen gegen den Volkswillen (Strafgesetzbuch): Art. 282, Wahlfälschung ist strafbar.
Gibt es einen Unterschied darin, ob ich eine Liste wähle und 5 Namen ersetze oder ob ich eine eigene Liste schreibe, mit der Partei der Liste und den gleichen Namen. Respektive wird beim eigenen Zettel die Listenverbindung der angegebenen Partei übernommen oder keine?
Christa Gall: Meiner Meinung nach gibt es keinen Unterschied, ob man eine leere Liste nimmt und dort die gleichen Namen aufschreibt, oder ob man eine ausgefüllte Liste nimmt und panaschiert. Entscheidend ist, dass man auf der leeren Liste die Partei ins entsprechende Feld hineinschreibt, die man grundsätzlich wählen möchte.
Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass im Aargau ein 2. Wahlgang nötig wird für die Wahl der 2. Ständeratsstelle, wie sieht es bei andern Kantonen diesbezüglich aus?
Christa Gall: Ich empfehle Ihnen hier unseren Beitrag.
Meiner Meinung nach müssten anstatt den Politiker:innen viel eher die Lobbyisten in den Wanderhallen gewählt werden. Auf die kommt es eher darauf an.
Christa Gall: Häufig werden diejenigen, die gewählt werden, selber zu Lobbyisten, weil sie Mandate in Verbänden und Organisationen haben. Einfluss nehmen Verbände und Organisationen auch via Vernehmlassungen.
Ich erwarte von unserem Parlament Lösungen zur Eindämmung der hohen Gesundheitskosten und der ungebremsten Zuwanderung, welche unsere Lebensqualität verschlechtert und auch verteuert!
Christa Gall: Die Gesundheitskosten sind im Parlament seit Jahren ein Thema. Eine schnelle Lösung ist hier auch mit dem neuen Parlament leider nicht zu erwarten. Punkto Zuwanderung ist die Schweiz stark an Verträge mit anderen Ländern gebunden. Es gibt aber trotzdem Möglichkeiten: So kann etwa der Bundesrat die Kontingente für Ausländer aus Nicht-EU-Ländern festlegen. Auch kann die Schweiz bis zu einem gewissen Grad festlegen, wem in der Schweiz Asyl gewährt wird.
Welche 4 Nationalratskandidaten haben im Kanton SZ die grössten Chancen, gewählt zu werden?
Christa Gall: Ich bitte um Verständnis, dass ich keine Angaben zu den Chancen einzelner Kandidaten oder Kandidatinnen machen kann.
Wird der Nahost-Konflikt und die daraus resultierende veränderte Sicherheitslage in Europa die Wahlen beeinflussen? Falls ja, in welcher Weise?
Christa Gall: Von Konflikten oder Unsicherheiten in der Bevölkerung profitieren in der Regel die konservativen Parteien, also SVP und FDP. Allerdings sind in der Schweiz trotzdem die ganz grossen Verschiebungen nicht zu erwarten. Die Schweiz erweist sich laut Wahlbarometer trotz der Krisen rund um das Land herum als erstaunlich stabil.
Warum braucht es so viele Listen/Unterlisten der gleichen Parteien? Was will die Politik damit erreichen? Soll uns Bürgern das Wählen vermiest werden? Oder sind die Parteien so uneins, dass sie nicht eine gut durchmischte Liste fertigbringen? Dieser Zustand fördert die Stimmabstinenz... Danke für ihre Antwort!
Christa Gall: Mit Unterlisten wollen die Parteien so viele (Rand-)Gruppen in der Gesellschaft wie möglich ansprechen. Diese Unterlisten «boomen» im Moment tatsächlich. Die Parteien erhoffen sich, mit mehr Kandidierenden mehr Stimmen zu holen. Es wurde aber auch schon diskutiert, ob man die Unterlisten abschaffen soll.
Guten Tag Ich habe eine vorgedruckte Liste genommen und 4 Kandidaten und Kandidatinnen anderer Parteien panaschiert. Dabei habe ich sehr leserlich den Namen und die Partei dazu geschrieben, aber die Nummern dieser 4 Personen nicht notiert. Ist nun mein Wahlzettel ungültig oder nur partiell für diese 4 panaschierten Personen? Freundliche Grüsse
Christa Gall: Ihr Wahlzettel ist deswegen nicht ungültig. Ungültig ist ein Wahlzettel etwa dann, wenn Änderungen nicht von Hand vorgenommen werden oder wenn Beleidigungen hingeschrieben werden. Ob die 4 panaschierten Personen berücksichtigt werden, ist aber schwierig zu sagen. Hierzu habe ich nichts gefunden in den offiziellen Wahlanleitungen.
Wie kann ich sicher sein, dass die Neutralität 100% bewahrt wird, dass die schweizerische Politik unabhängig von der EU bleibt und nicht blind hinterherhinkt? Ukraine, Nahosten? Wie können wir wieder auf der internationalen Ebene unsere Rolle als anerkannten Vermittler spielen?
Christa Gall: Die Schweizer Politik wird im Zusammenspiel mit der EU und auch anderen Grossmächten gemacht. Eine Garantie zur vollständigen Unabhängigkeit gibt es in dem Sinne nicht. Die Schweiz versucht aber, soweit wie möglich, ihre Neutralität zu wahren. Im Moment prüft der Bundesrat ein Verbot der Hamas als Terrororganisation. In diesem Fall würde es schwieriger für die Schweiz, im Konflikt zwischen Israel und Palästina zu vermitteln.
Dürfen Parteien und Politiker Falschaussagen im Wahlkampf tätigen und auch Lügen? Oder dürfen sie sich nur «irren» oder falsche Inhalte suggerieren oder implizieren?
Christa Gall: Nicht nur Politikerinnen und Politiker machen Falschaussagen, auch dem Bund ist dies schon im Abstimmungsblüchlein passiert. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass die Abstimmung annulliert und wiederholt wird. Dies war der Fall bei der Abstimmung zur Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe». Falschaussagen von Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf haben in der Regel keine rechtlichen Konsequenzen. Sie werden aber von anderen Parteien aufgegriffen. Manchmal machen auch die Medien Falschaussagen zum Thema. Die Grenzen zwischen «irren», «Inhalt suggerieren» und «implizieren» sind fein. Von aussen zu beurteilen, wie was gemeint war, ist schwierig.
Warum wird das schweizerische Stimmvolk dazu aufgerufen wählen zu gehen, wenn im Endeffekt der Souverän sowieso in die parlamentarischen Entscheidungen aufgrund deren Rechten eingreifen kann? Auch die Thematik der Landesregierung (Bundesrat) spielt keine Rolle, da die Vergabe der 7 Sitze nach der Zauberformel 2-2-2-1 verteilt werden. Wenn eine Partei plötzlich eine hohe Stimmquote erhalten hat, dann wehren sich die beständigen Parteien mit der Ausrede, dass diese sich doch bitte zuerst bei den nächsten Wahlen in vier Jahren nochmals beweisen müssen. Hier wäre ich um interessante Rückmeldung dankbar. Zur Info: ich selbst gehe immer wählen, kenne aber immer mehr Leute die oben erwähnte Argumente einbringen. Danke. Mit freundlichen Grüssen Marco Krähenbühl
Christa Gall: Es ist tatsächlich so: Weil das Volk über Sachfragen immer wieder abstimmen und eingreifen kann, ist die Wahlbeteiligung in der Schweiz verglichen mit dem Ausland tief. Allerdings haben Parteien, die im Parlament gut vertreten sind, mehr Möglichkeiten, sich einzubringen. Und einige Parteien verlangen von ihren gewählten Mitgliedern, dass sie einen Teil des Lohns abgeben. Es ist zwar so, dass die Zauberformel nicht nach jeder Veränderung angepasst wird. Wenn sich allerdings die Ergebnisse einer Wahl bestätigen, wird mit der Zeit auch die Zusammensetzung des Bundesrates angepasst. Daher lohnt sich wiederholtes Wählen.
Wie kann und wird der Bund/Kantone die Kostenexplosionen der Krankenkassen und Medikamenten unter Kontrolle bekommen ?? Für Menschen wie mich auch, mit unheilbaren Erkrankungen , z.B. Multipler Sklerose schubförmig , und manch andere Diagnosen.... Ich wünsche mir sehr, das die dann neugewählte Person im Gesundtheitswesen vorwärts kommt, obwohl ich Alain Berset sehr schätze und es bedaure, das er den Rücktritt gegeben hat. Mit freundlichen Grüssen Brigitte Pozner, 61 Jahre alt.
Christa Gall: Diese Frage stellen sich viele. Vieles hängt von den Leistungserbringern ab, die sich einigen und mässigen müssten. Sie lobbyieren regelmässig sehr stark im Parlament.
Wie hat sich die Offenlegungspflicht (Transparenz Politfinanzierung) der Spenden und Finanzierung ausgewirkt. Ist den Selbstdeklarationen zu glauben, gibt es Umgehungsversuche? Zu beachten ist sicher auch, dass es ein Milizparlament ist.
Christa Gall: Wie sich die Offenlegungspflicht auswirkt, kann man erst in ein paar Jahren beantworten. Klar ist, dass es noch Lücken in den Bestimmungen gibt. Eine volle Transparenz wird man wohl nicht erhalten.
Wenn ich eine lere Liste nehme und im Kanton Bern nur 5 von 24 Kandidaten hinschreibe (3 SVP, 2 FDP) welche Partei der zwei bekommt anschliessend die restlichen leren Stimmen?
Christa Gall: Sie können auch bei einer leeren Liste bestimmen, wer die restlichen Stimmen erhält, indem Sie die Partei in das vorbestimmte Feld schreiben. Wenn Sie das nicht tun, werden 3 Stimmen der SVP und 2 Stimmen der FDP zugeordnet. Die restlichen Stimmen verfallen.