Die Ausgangslage: In der Stadt Solothurn mit 17'000 Einwohnern hat die Gemeindeversammlung das letzte Wort. Die Stadt verfügt über einen 30-köpfigen Gemeinderat, eine Gemeinderatskommission und einen Stadtpräsidenten. Diese bilden zusammen die Stadtregierung. Dazu kommt die Stadtverwaltung mit den einzelnen Abteilungsvorstehern. Diese sogenannte «ordentliche Gemeindeorganisation» wird in allen Gemeinden des Kantons angewendet, mit Ausnahme der Stadt Olten (Gemeindeparlament und Stadtrat).
Der Vorschlag: Solothurn soll eine ähnliche Gemeindeorganisation wie Olten erhalten (ausserordentliche Gemeindeorganisation), ist der Vorschlag einer Arbeitsgruppe. Ein 30-köpfiges Parlament sowie ein Stadtrat mit 5 Mitgliedern – inklusive Stadtpräsident – soll Gemeindeversammlung, Gemeinderatskommission und Gemeinderat ablösen. Der Gemeinderat hat diesem Vorschlag zugestimmt, nun entscheidet die Gemeindeversammlung am 18. Dezember darüber. Bei einem Ja erfolgt am 10. Februar 2019 eine Urnenabstimmung. Auf das Jahr 2022 würde die neue Gemeindeorganisation in Kraft treten.
Befürworter und Gegner: Die Überprüfung des Systems wurde auf Antrag der CVP/GLP-Fraktion durchgeführt. Im Gemeinderat stimmten die beiden Mitte-Parteien mit SP und Grünen für eine Änderung. Dagegen sprachen sich FDP und SVP aus.
Exotisch aber bewährt: Angeregt hat den Systemwechsel Barbara Streit von der CVP, langjährige Vize-Stadtpräsidentin. Die Kompetenzen sollen klar verteilt werden, meint sie im Gespräch. Für Mitglieder des Gemeinderates sei ihre Rolle oft nicht klar. Dieses System habe sich aber bewährt - auch wenn es vielleicht exotisch sei, entgegnet Charlie Schmid, Gemeinderat und Präsident der städtischen FDP. Änderungen in der Exekutive (Gemeinderat) könnten auch erreicht werden, ohne dass dazu die Gemeindeversammlung abgeschafft werden müsste.
Schlecht besuchte Versammlungen: Diese Gemeindeversammlungen würden in der Regel aber schlecht besucht, so Streit. Die Bevölkerung sei schlecht repräsentiert. Ältere Menschen, die abends nicht mehr weg wollen, oder auch Junge seien untervertreten. In einem Parlament könnten diese besser abgebildet werden. An einer Gemeindeversammlung seien aber immer mehr als 30 Personen anwesend - und die Stimmbevölkerung somit besser vertreten als in einem Parlament, so Schmid. Dazu kämen viele städtische Kommissionen, mit welchen rund 250 Personen aktiv in der Stadtpolitik eingebunden würden.
Einfache Mitwirkung: Ein allfälliger umstrittener Entscheid könne heute zudem einfach an die Urne gebracht werden, meint Charlie Schmid. Ein Viertel der Anwesenden an der Gemeindeversammlung reiche dazu. An einer Versammlung könne auch jeder Anträge stellen. Im neuen System bräuchte es dazu Referenden, Initiativen oder Motionen. Diese Vorlagen würden aber in einem Parlament vertieft angeschaut, so Barbara Streit. Neue digitale Möglichkeiten könnten die Mitwirkung der Bevölkerung zudem verbessern.
Was besser passt: Viele Städte in der Grösse von Solothurn hätten die Gemeindeversammlung abgeschafft, meint Streit. Solothurn wachse zudem weiter, es brauche ein zukunftsweisendes System. Eine Stadt wie Solothurn müsse sich Gedanken dazu machen, meint auch Schmid. Es gelte abzuwägen, welches System besser zur jeweiligen Stadt passe, was die Bedeutung der Gemeindeversammlung sei.