Die Frau wollte mit ihrer Familie in die Skiferien. Bereits am Vortag kaufte sie bei der SBB ein für zwei Stunden gültiges Streckenbillett von ihrem Wohnort in der Stadt Zürich nach Wädenswil. Dort wollte sie um elf Uhr ihre Familie für die gemeinsame Weiterreise im Auto treffen. Am Abreisetag brach sie kurz nach zehn Uhr morgens mit Sack und Pack auf und bestieg das Tram. Kaum hatte sie sich hingesetzt, hörte die Frau: «Billettkontrolle!»
Die Frau zückte ihr Handy und zeigte dem Kontrolleur der Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) ihr elektronisches Ticket. «Ihr Billett ist ungültig», sagte dieser. Sie solle sich die Zeit auf dem Ticket genau anschauen. Die Kundin stellte fest, dass sie offenbar ein Tram zu früh genommen hat. Ihr Streckenbillett war erst in knapp zehn Minuten gültig. Das hatte sie gar nicht realisiert. Sie hatte sich vor allem darauf konzentriert, den Zug im Zürcher HB zu erwischen.
Begründung: «Fahrgast kein Billett»
Dass sie ja eigentlich ein Billett gekauft hatte und nicht schwarzfahren wollte, spielte für den Kontrolleur keine Rolle. Er büsste die Frau mit 100 Franken. Begründung auf dem Busszettel: «Fahrgast kein Billett.» Er bestätigte der Frau, dass sie dieses Tram hätte abfahren lassen und zehn Minuten später das nächste Tram hätte nehmen müssen. Die Frau meint zwar, dass das streng rechtlich gesehen wohl stimmen mag. Dennoch hätte sie von den VBZ unter diesen Umständen Kulanz erwartet.
Ärgerlich ist zudem: Für das frühere Tram, welches die Frau genommen hat, lässt sich gar kein Streckenbillett nach Wädenswil lösen. Die Apps von SBB, ZVV und VBZ wählen automatisch diejenige Tramverbindung aus, mit der sich der Zug direkt erreichen lässt. Eine Kundin kann sich also keine «Spatzig» einbauen, um ohne Umsteigestress den Zug zu erwischen. Die einzige Möglichkeit wäre, zwei separate Billette zu lösen: eins fürs Tram und eins für den Zug.
VBZ finden die Busse korrekt
Das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» konfrontiert die VBZ mit dem Fall. VBZ-Sprecher Oliver Obergfell verteidigt die Busse. Das möge zwar sehr pingelig wirken: «Fakt ist aber, dass das Billett der Dame zum Kontrollzeitpunkt noch nicht gültig war.» Aus diesem Grund sei es zurecht beanstandet worden.
Letztlich kommen die VBZ der gebüssten Kundin dennoch ein Stück weit entgegen. «Wir können die Situation dieser Dame nachvollziehen. Ausnahmsweise sind wir bereit, diesen Taxzuschlag von 100 Franken auf die Bearbeitungsgebühr von 30 Franken zu reduzieren», sagt Obergfell. Das sei jedoch kein Präzedenzfall für ähnlich gelagerte Bussen. Ausschlaggebend für diesen Entscheid sei, dass die Frau ihr Ticket weit im Voraus gelöst habe und dass es nur um wenige Minuten noch nicht gültig gewesen sei.
Der Betroffenen wäre es lieber, wenn die Verkehrsbetriebe ihr Online-Ticketing anpassen würden und die Fahrgäste die Gültigkeitsdauer des Tickets noch anpassen könnten. Denn ihr Ticket war nach der Ankunft in Wädenswil noch über eine Stunde gültig, weil die SBB-App das so bestimmt hat.
Espresso, 04.03.20, 08.13 Uhr