«Wir haben die traurige Gewissheit, dass niemand das Unglück überlebt hat»: Anita Senti, Mediensprecherin der Kantonspolizei Graubünden, bestätigte an einer Medienkonferenz in Flims (GR), dass beim Absturz einer Ju-52 am Piz Segnas alle 20 Menschen an Bord ums Leben gekommen sind.
Das ist das schwerste Unglück in der Schweizer Luftfahrt seit dem Absturz einer Maschine der Crossair 2001 bei Bassersdorf (ZH).
«Den Einsatzkräften bot sich ein trauriges Bild», sagte Andreas Tobler, Gesamteinsatzleiter der Kantonspolizei Graubünden. Unter den Opfern befinden sich 9 Männer und 8 Frauen aus den Kantonen Zürich, Thurgau, Luzern, Schwyz, Zug und Waadt sowie ein Ehepaar mit seinem Sohn aus Österreich wurden beim Absturz tödlich verletzt. Die zwei Flugkapitäne und eine Flugbegleiterin stammten aus den Kantonen Thurgau und Zürich.
Nur wenige Anhaltspunkte zur Absturzursache
Daniel Knecht von der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust), konnte zur Absturzursache keine Angaben machen. Die Analyse der Unfallstelle lasse lediglich einige Schlussfolgerungen zu: «Das Flugzeug ist nahezu senkrecht und mit relativ hoher Geschwindigkeit auf den Boden geprallt.» Der Grund dafür sei unbekannt.
Hingegen könne eine Kollision mit einem Hindernis, einem Kabel oder einem anderen Fluggerät, ausgeschlossen werden. «Es gab keine Fremdeinwirkung von aussen.»
Das Flugzeug sei vor dem Absturz auch nicht auseinandergefallen und habe auch keine Teile verloren. «Wir ermitteln in alle Richtungen», sagte Knecht, auch ob die hohen Temperaturen oder die Wetterlage eine Rolle gespielt haben könnten. Laut der Kantonspolizei Graubünden habe es auch keinen Notruf aus der Maschine gegeben.
Das Alter eines Flugzeuges habe grundsätzlich keinen Zusammenhang mit dessen Sicherheit. «Auch ältere Flugzeuge können, wenn sie gut gewartet werden, sicher betrieben werden», sagte Daniel Knecht von der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust).
Zu Spekulationen, ob die gegenwärtige Hitze beim Absturz eine Rolle gespielt haben könnte, äusserte sich Knecht nicht direkt. Grundsätzlich sei Hitze mit einer Verdünnung der Luft verbunden. Dies beeinträchtige die Leistung der Motoren. Dadurch könne eine Maschine beispielsweise weniger hoch fliegen.
Allerdings könne man damit umgehen, indem man beispielsweise die Beladung reduziere. «Die Situation ist anspruchsvoller, man braucht mehr Erfahrung.»
Aufwändige Bergungsarbeiten
Weil das 79 Jahre alte Flugzeug über keine Aufzeichnungsgeräte verfüge und über dem Absturzgebiet wenige Radaraufzeichnungen gemacht würden, seien die Untersuchungen komplex. Die Sust werde einige Tage vor Ort arbeiten müssen, sagte Knecht. Die Flugunfalluntersuchung könne sich zudem auf Aussagen mehrerer Augenzeugen stützen.
Auch die Bergung werde noch einige Tage dauern. Ein Gebirgsdetachement der Luftwaffe werde für die Bergungsarbeiten eingesetzt.
Langjährige Erfahrung bei Verantwortlichen von JU-Air
Trägerorganisation der JU-Air ist der Verein von Freunden der schweizerischen Luftwaffe (VFL) mit 7000 Mitgliedern. «Das Team der JU-Air ist tief traurig und denkt an die Passagiere, die Crew und Familien und Freunde der Verunglückten», teilte das Unternehmen mit.
JU-Air führe seit 1983 mit drei historischen Ju-52 Flugbetrieb durch, sagte Kurt Waldmeier, Mitgründer und CEO von JU-Air. Er ist seit 36 Jahren selber als Pilot mehr als 5000 Flugstunden auf der Ju-52 geflogen.
Die Ju-52 hätten bei der Schweizer Luftwaffe bis 1981 im Einsatz gestanden. Nach der Ausmusterung habe sich der Verein der Freunde der Luftwaffe (VFL) entschieden, drei dieser Maschinen zu übernehmen.
Die Maschinen würden nur von sehr erfahrenen Berufspiloten geflogen und durch eigene Techniker streng kontrolliert und gewartet. Seit ihrer Gründung habe die JU-Air keine Unfälle zu beklagen gehabt.
Die Ju-52 «HB-HOT» flog seit 79 Jahren
Die abgestürzte Maschine mit der Immatrikulation HB-HOT sei 1939, also vor 79 Jahren gebaut worden. Sie flog bis zum Samstag während 10’187 Stunden. Wegen ihres hohen Alters sei sie aber sehr streng kontrolliert worden. Die letzte reguläre Wartung erfolgte im Juli, erklärte Waldmeier.
Die beiden Piloten waren ehemalige Linienpiloten von Swissair, Swiss und Edelweiss sowie Militärpiloten der Schweizer Luftwaffe. Beide waren Flugkapitäne, 62 und 63 Jahre alt und seit über 30 Jahren als Linien- und Militärpiloten tätig. Beide Kapitäne flogen bisher mehrere hundert Stunden auf der Ju-52. Auch die 66-jährige Flight Attendant hatte 40 Jahre Berufserfahrung, teilte der CEO von JU-Air mit.
Flugreise ins Tessin und zurück
Die verunglückte Ju-52 war auf dem Rückflug von einer Erlebnisreise von Locarno-Magadino (TI) nach Dübendorf (ZH). Am Freitag hatte die Flugreise in Dübendorf begonnen und verlief problemlos. Am Samstag um 16:10 startete die Maschine zum Rückflug nach Dübendorf.
Laut CEO Waldmeier fliegen die Piloten mit dieser Maschine auf Sicht und navigieren anhand von Karten. Dabei müssen sie die vorgeschriebenen Mindesthöhen und Abstände von Wolken einhalten. «Die Route jedes Fluges wird vorher geplant. Wenn es die Bedingungen erfordern, wird der Flugweg angepasst.» Wie es schliesslich zum Absturz kurz vor 17 Uhr an der Westflanke des Piz Segnas kam, könne sich niemand erklären.
Laut dem Mediensprecher der JU-Air, Christian Gartmann, hat der Verein den Flugbetrieb bis auf weiters eingestellt. «In Zusammenarbeit mit den Behörden wird das Unternehmen entscheiden, wann der Betrieb wiederaufgenommen wird.»
Beileidsbekundung des Bundesrats
Gegenüber SRF äusserte Bundespräsident Alain Berset seine grosse Betroffenheit über den Flugzeugabsturz: «Unsere Gedanken sind bei den Familien, bei den Freunden, bei den Angehörigen der Opfer und ich möchte ihnen, auch im Namen des Bundesrates, mein tiefes Mitgefühl aussprechen.»
In diesem sehr schwierigen Moment müsse man auch einen Dank an die Rettungskräfte aussprechen, die ebenfalls mit dieser schwierigen Situation konfrontiert seien.