Die Stadt Biel ist seit dem Wahlsonntag nicht nur linker und grüner, sondern auch weiblicher. Erstmals in der Geschichte der Stadt wird Biel von einer weiblichen Mehrheit regiert.
Silvia Steidle von der FDP wurde wiedergewählt, die Grüne Lena Frank und die welsche Sozialdemokratin Glenda Gonzalez Bassi holten sich die zwei frei werdenden Sitze im Bieler Gemeinderat.
In Biel konnten die Frauen ihren Anteil auch im Stadtparlament erhöhen. Ab der neuen Legislatur wird die Hälfte der Stadtratssitze von Frauen belegt sein – bisher war es jeder Dritte.
Wie erklärt man sich dies in Biel? «Das hat sich bereits bei den Kandidaturen abgezeichnet», sagt die neu gewählte Lena Frank. Die Arbeit der letzten Jahre trage nun Früchte. Der Frauenstreik habe gezeigt, dass die Frauenfrage immer noch gestellt werden müsse. «Es braucht Zeit, bis diese Themen ankommen», so die 31-Jährige.
Ein Blick auf die Regierungen der zehn grössten Schweizer Städte bestätigt dies. Neben Biel hat derzeit nur Genf mehr Frauen als Männer in der Stadtregierung. Auch in rot-grün-dominierten Städten wie Bern sind die Männer aktuell in der Überzahl.
Die Schweizer Frauenorganisation Alliance F gibt Biel denn auch die Bestnote. «Es freut uns, ist gerade in Biel, einer der zehn grössten Städte der Schweiz, ein solcher Erfolg eingetreten», sagt Flavia Kleiner, Mitinitiantin der Kampagne «Helvetia ruft». Es gebe immer noch Regierungen, die nur aus Männern bestünden. Kleiner nennt die Kantonsregierungen von Luzern, Graubünden, Tessin, Appenzell Ausserrhoden und Uri.
Seit den eidgenössischen Wahlen im letzten Herbst, als die Frauenquote von 32 auf 42 Prozent anstieg, ist die Organisation auf Tournee und hat auch in Biel versucht, zu mobilisieren. «Es braucht mehr Kandidatinnen, welche auf aussichtsreichen Listenplätzen stehen. Dieser Effekt hat wohl auch in Biel zur Frauenmehrheit geführt.»
Bereits erste Stadt mit einer homosexuellen Mehrheit
Dass es künftig eine Frauenmehrheit in der Bieler Stadtregierung geben wird, sei kein Zufall. Biel habe in solchen Dingen eine Vorreiterrolle. «Biel hat immer das 'Gspüri' für solche Themen», sagt Lena Frank.
Das unterstreicht auch ihre Parteikollegin Barbara Schwickert, welche nach zwölf Jahren aus der Regierung zurücktritt. Bei ihrer Wahl 2008 war Barbara Schwickert noch die einzige Frau im Gemeinderat, erst die Dritte überhaupt. In Biel sei aber sehr viel möglich: «Aktuell haben wir ja eine homosexuelle Mehrheit. Da passt auch die Frauenmehrheit gut in das fortschrittliche Bild der Stadt Biel», sagt Schwickert, die selber homosexuell ist, so wie zwei Kollegen im Gemeinderat.
Biel hat das 'Gspüri' für solche Themen.
Wobei die Homosexualität bei den Bielerinnen und Bielern sehr selten ein Thema war. «Schön, dass die Bevölkerung dies als ganz normal akzeptiert hat», sagt Schwickert. Sowieso habe in der Stadtregierung nicht eine Rolle gespielt, ob die Mehrheit homo- oder heterosexuell war, weiblich oder männlich, deutsch oder welsch. «Schlussendlich war die Parteipolitik entscheidend.»
Ändert sich nun also nichts?
Die stärkere Frauenvertretung dürfte dennoch auf die Politik der Stadt Biel abfärben, so Schwickert. Denn: «Frauen sind eher lösungsorientiert und versuchen, ein Projekt so hinzubringen, dass es eine Mehrheit findet.»
Egal ob Mann oder Frau, man solle immer schauen, was für die Bevölkerung gut ist, sagt die neu gewählte Glenda Gonzales Bassi (PSR). Sie vermutet aber, dass sich die Kultur im Gemeinderat ändern wird.
Frauen packen Probleme anders an, bringen eine andere Art des Diskurses ein.
Davon ist der wiedergewählte Stadtpräsident gar überzeugt. Erich Fehr meint zwar, man solle ihn in einem Jahr noch einmal fragen, wenn er es erlebt habe, aber: «Man weiss aus solchen Gremien, dass Frauen Probleme anders anpacken, eine andere Art von Diskurs einbringen. Das bringt einen Mehrwert. Ich freue mich darauf.»