Ein Volksauftrag verlangt das aktive und passive Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer im Kanton Solothurn. Präziser: Jede Gemeinde soll selber darüber entscheiden können, ob in ihrer Gemeinde ein solches Wahlrecht eingeführt wird.
Passives Wahlrecht heisst: Die Ausländerinnen und Ausländern dürfen wählen und stimmen. Aktives Wahlrecht bedeutet: Sie dürfen selber auch in Behörden oder Kommissionen gewählt werden.
Diese Regelung kennen auch der Kanton Graubünden und der Kanton Appenzell Ausserrhoden. Rund ein Drittel der Gemeinden macht davon Gebrauch und ermöglicht den Ausländerinnen und Ausländern mit unbefristetem Bleiberecht diese demokratische Mitbestimmung.
Es sind vor allem kleinere Gemeinden, wie Pius Kessler von der SRF-Regionalredaktion Ostschweiz und Graubünden im Gespräch erklärt.
SRF: Die erste Gemeinde mit einem Wahl- und Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer war Wald (AR). Welche Erfahrungen machte man da?
Pius Kessler: Das war 1999. Die Diskussion war damals gar nicht so heftig. Und auch Erfahrungen machte man wenig. Es gab nur gerade 10 Menschen, die sich für dieses Wahl- und Stimmrecht registriert haben. Bei rund 45 Ausländerinnen und Ausländern im Dorf.
Ich würde sogar behaupten, dass die Leute in Wald damals gar nicht gemerkt hatten, dass sie dem Wahlrecht zustimmten. Erst als dann die ganze Schweizer Presse darüber berichtete, waren sie stolz auf ihr Pionierwerk.
Allerdings muss man auch sagen: Der Ausländeranteil in Wald war und ist gering - und 1999 wurde das Thema «Ausländer» in der Politik auch nicht sehr heiss diskutiert.
Auch in der Ostschweiz sind die Meinungen gespalten. Die Stadt Chur lehnte im letzten Jahr das Wahl- und Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer ab. Warum?
Wer wählen und abstimmen will, soll sich einbürgern lassen. Das war das Hauptargument der bürgerlichen Mehrheit im Stadtparlament. Allerdings: Die Linken in der Stadt haben immer noch eine Volksinitiative in der Hinterhand.
Es ist einfacher, wenn man das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer in eine grosse Vorlage verpackt.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass die isolierte Abstimmung über ein Wahlrecht für Ausländer immer schwieriger ist, als wenn man dieses Wahlrecht in eine Vorlage verpackt wie zum Beispiel in die Revision einer Kantonsverfassung oder einer Gemeindeordnung.
Im Kanton Solothurn erhofft sich die Regierung, dass man mit den Ausländerinnen und Ausländern auch einfacher Behörden und Kommissionen in den Gemeinden besetzen kann, den Personalmangel bekämpfen kann. Gab es diese Hoffnung auch in der Ostschweiz?
Das war genau das Thema im Dorf Wald. Da fand man im Jahr 2000 keinen Gemeinderat. Ein Holländer wurde dann angefragt, er willigte ein und wurde dann mangels anderere Kandidaturen sogar in stiller Wahl gewählt. Vier Jahre später machte er dann das beste Resultat als Gemeinderat.
Auch in der Nachbargemeinde Trogen wurde ein Amerikaner Gemeinderat und später dann sogar Kantonsrat. Allerdings: Beide haben ihre Ämter inzwischen abgegeben und beide haben sich inzwischen einbürgern lassen.
Die SVP Solothurn will «mit allen Mitteln» gegen dieses Stimmrecht kämpfen. Waren die politischen Diskussionen in der Ostschweiz auch emotional?
Es lief eher ruhig und sachlich. Im ersten Schritt wurde das Stimm- und Wahlrecht in der Kantonsverfassung erlaubt. Da war dieses Thema nur einer unter ganz vielen Punkten in dieser Totalrevision. Es lief quasi unbemerkt.
Die Diskussionen in der Ostschweiz liefen ruhig und sachlich.
Auch in den Gemeinden lief das eher ruhig. Es gibt zwar in der letzten Zeit einige Gemeinden, welche die Einführung abgelehnt haben. Aber vor einigen Jahren haben viele Gemeinden dieses Wahlrecht noch völlig problemlos eingeführt. Eben: Im Rahmen von ganzen neuen Gemeindeverordnungen und in einem Umfeld, wo die Ausländerpolitik viel weniger interessierte.
Das Gespräch führte Stefan Brand.