Zwei Betriebe, ein Problem: Das Hotel Belvedere im bündnerischen Scuol hätte Kapazitäten für zehn Lernende, im Moment sind jedoch nur fünf Lehrstellen besetzt. Bei der Garage Eugster im sankt-gallischen Thal blieb der Lehrplatz als Mechaniker für den Start diesen Sommer offen. «Wir hatten dieses Jahr sehr wenige Bewerbungen», sagt Inhaber Fabian Eugster.
Die Autowerkstatt und der Hotelbetrieb sind in Branchen tätig, in welchen die Situation besonders prekär ist. Eine Auswertung der Lehrstellenplattform Yousty zeigt: Baugewerbliche Betriebe machen 25 Prozent und das Gastgewerbe 13 Prozent der unbesetzten Lehrstellen aus.
Aktuell verlassen vor allem geburtenschwache Jahrgänge die Schule, weshalb die Nachfrage der Firmen nach Jugendlichen bei Weitem nicht gedeckt werden kann. Gemäss Statistik des Bundes blieben bis zum Lehrstart im August 12'000 Stellen unbesetzt. Wenn Lehrstellensuchende die Qual der Wahl haben, müssen sich Firmen für sie attraktiv machen.
Den Jungen auf Augenhöhe begegnen
Dazu gehört laut Thomas Rentsch, Geschäftsführer der Förderstiftung «Top-Ausbildungsbetrieb», dass die Berufsbildenden den Jungen auf Augenhöhe begegnen: «Ganz schlecht ist, wenn die Jungen einfach als billige Arbeitskraft missbraucht werden.»
Ein kollegiales Verhältnis mit «Du-Kultur» ist für Garagist Eugster selbstverständlich. Ihm ist es wichtig, den Menschen ins Zentrum zu stellen. Er bietet den Jungen aber auch zusätzliche finanzielle Anreize, indem er sich etwa an den Kosten für Fahrlektionen beteiligt oder gute Schulnoten belohnt.
Luft nach oben sieht er selbst beim Rekrutierungsprozess: So wolle er Schnupperlehrlingen mehr bieten. Ausserdem werden die bestehenden Auszubildenden künftig Tiktok-Videos erstellen, in denen Betrieb und Berufe vorgestellt werden. In der Hoffnung, mehr Junge anzusprechen.
Es beginnt schon vor der Rekrutierung
Auch dem Hotel Belvedere ist eine familiäre Atmosphäre wichtig. Daneben zeigt man sich bei den Arbeitszeiten flexibel und offeriert diverse Vergünstigungen bei Sportaktivitäten in der Region. Aber es beginne schon vor der Rekrutierung, sagt Sandy Stöckenius, Personalverantwortliche des Hotels: «Wir gehen proaktiv auf Schulen zu, zeigen den Jungen, wie vielfältig unsere Branche ist und welche Karrieremöglichkeiten es gibt.»
Mit diesen Massnahmen versuchen die beiden Betriebe, attraktiv für Berufseinsteigende zu sein. Sie stehen dabei in Konkurrenz zu anderen, die ebenfalls um die Lernenden buhlen. Dieser Zustand wird noch solange andauern, wie es mehr Lehrstellen als Berufseinsteigende gibt.