Rami Jumaah sitzt vor seinem Laptop im Büro des Zürcher Softwareunternehmens Liip und arbeitet am Code für den Migros Genossenschaftsbund. Ende Juli wird er seine zweijährige Lehre als Softwareentwickler abschliessen. In seiner alten Heimat Irak hat Jumaah als Maschineningenieur gearbeitet, Recht und politische Wissenschaften studiert. «Doch seit dem Krieg ist es dort zu gefährlich», sagt der 27-jährige. Er hat es selbst erlebt: Nachdem sein kleiner Bruder entführt wurde, musste er den Irak sofort verlassen.
Über die Türkei, Griechenland, den Balkan und Österreich gelangte Jumaah vor dreieinhalb Jahren schliesslich in die Schweiz. Während eines Deutschkurses erzählte ihm ein Kollege von den Powercoders – einem Kurs, der Geflüchtete während 13 Wochen ins Programmieren einführt und ihnen eine Praktikumsstelle vermittelt. Im Bereich der Informatik herrscht in der Schweiz Fachkräftemangel. Dort ist es leichter, Quereinsteiger wie den Geflüchteten Rami Jumaah zu integrieren.
Ohne Englisch geht es nicht
Der Berner Unternehmer Christian Hirsig hat Powercoders vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Seither wurden Kurse in Bern, Zürich, Lausanne und Basel durchgeführt, mit insgesamt 71 Teilnehmenden. Gut 30 Prozent von ihnen wurden danach fest angestellt. «Dieser kurzfristige Erfolg ist aber nicht die relevanteste Zahl», meint Hirsig. «Wichtiger ist, unser eigenes Ziel zu erfüllen: 80 Prozent der Teilnehmenden finden mittelfristig einen Job und kommen von der Sozialhilfe weg». Das sei ehrgeizig – im schweizweiten Vergleich liege die Zahl viel tiefer. «Aber wir merken, dass das Ziel in Reichweite ist.»
Im Schnitt melden sich um die 100 Leute für einen Kurs. Platz hat es aber nur für 15 bis 20. «Das Wichtigste ist, dass jemand gut Englisch spricht», sagt Christian Hirsig. «Denn Englisch ist die Sprache der IT.» Informatikkenntnisse sind von Vorteil, aber kein Muss. «Wenn jemand grosses Interesse an Computern hat und den Willen, sich weiterzubilden, viel zu arbeiten und zu lernen, dann sind das ebenso gute Voraussetzungen.»
Ausbildungszentren in Zürich und Lausanne
Diesen Willen hat Rami Jumaah: Als er 2017 den Kurs begann, wohnte er in Schaffhausen. Während 13 Wochen pendelte er jeden Kurstag erst über zwei Stunden nach Bern und am Abend wieder zurück. Der Einstieg sei nicht leicht gewesen. Doch weil der Kurs mit Basiskenntnissen begann, habe er den Anschluss rasch gefunden. «Ausserdem konnte ich von Leuten im Kurs lernen, die schon mehr Erfahrung mit Programmieren hatten.»
Jetzt sucht Jumaah nach einer festen Anstellung. Ob er bei Liip bleiben kann, weiss er noch nicht. Für den Arbeitsmarkt fühlt er sich nach Kurs, Praktikum und Lehre jedenfalls gut gerüstet. Bloss beim Schreiben der Bewerbungen fehle ihm noch die Erfahrung, sagt er lachend.
Auch der Verein Powercoders will sich weiterentwickeln. In Zürich und Lausanne sollen zwei nationale Ausbildungszentren entstehen. «So müssen wir nicht mehr von Stadt zu Stadt hüpfen, was uns in der Vergangenheit viele Erfahrungen gebracht hat, aber auch Ressourcen gekostet», erklärt Christian Hirsig.
Daneben soll die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden. Schon heute gibt es einen Kurs in Istanbul, bei dem Powercoders beratend zur Seite steht. Bald könnte es solche Kurse auch in Mailand, Stockholm oder Hamburg geben – vorausgesetzt, es finden sich die richtigen Partner.