Der Stern auf der Motorhaube: lange ein Symbol für Qualität und Prestige. Vor zwanzig Jahren drohte der Ruf von Mercedes jedoch zu kippen. Die neu eingeführte A-Klasse sollte das Vorzeigemodell unter den Kleinwagen werden, aber den Weg blockierte: ein Elch.
Zu hoher Schwerpunkt, zu wenig Technik
Beim sogenannten «Elchtest» wird die Fahrstabilität von Autos überprüft, wenn der Fahrer wegen einem Hindernis schnell die Spur wechselt. In Skandinavien, wo die grossen Hirsche häufig in Unfälle verwickelt sind, gehört der Elchtest schon lange zum üblichen Testverfahren.
Als die schwedische Autozeitschrift «Teknikens Värld» die Mercedes A-Klasse 1997 auf die Teststrecke schickte, versagte das Modell auf voller Länge. Im Ausweichmanöver kippte das Fahrzeug um und landete auf dem Dach. Der Wagen wurde beschädigt, der Fahrer leicht verletzt.
Der Grund für das schlechte Abschneiden: Der Schwerpunkt der A-Klasse war für ein Auto dieser Grösse sehr hoch angesetzt. Ausserdem besass der Wagen – wie damals für Mittelklasse-Autos üblich – kein elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP).
Aus der Doppelkurve im Elchtest nahm das Auto viel Energie in den Federn mit. «Wenn man mit der A-Klasse zwei Kurven nacheinander machte, wurde die Kippbewegung zu gross», weiss Bernhard Gerster, Professor für Automobiltechnik an der Berner Fachhochschule.
In der ersten Phase war die Kommunikation wirklich schlecht.
Zuerst abstreiten, dann zum Fehler stehen
Schnell verbreiteten sich die Resultate des Elchtests, Mercedes zog Spott und Häme auf sich. Zu Beginn versuchte der Mutterkonzern Daimler noch, das unliebsame Thema unter den Teppich zu kehren: Die Fahrt auf der Teststrecke in Schweden sei kein Gradmesser, so der damalige Daimler-Vertreter Jürgen Hubbert, «die A-Klasse ist jedoch in realen Fahrsituationen sicher».
«In der ersten Phase war die Kommunikation wirklich schlecht», attestiert Patrick Suppiger, der Präsident des Schweizer Verbandes für Krisenkommunikation. Daimler habe versucht, das Problem zu negieren, einen offenen Umgang mit dem Vorfall gab es nicht. «Man hat sich nicht darauf konzentriert, Öffentlichkeit und Kunden zu informieren» – ein Fehler.
Schnell wurde klar, dass sich diese Strategie nicht bewährt hatte. Daimler zog die Konsequenzen: In einer breit angelegten Werbekampagne zeigte sich der Grosskonzern demütig, Daimler entschuldigte sich und stand zu den Fehlern des ersten A-Klasse-Modells. Selbstironisch verteilte der Autobauer Plüsch-Elche an seine Kunden, für Patrick Suppiger Teil einer gelungenen «Charmeoffensive».
Heute besteht jeder Wagen den Elchtest.
Wendepunkt bei Schleuderunfällen
Unterdessen dient der Elchtest-Skandal als Lehrbeispiel in der Krisenkommunikation. Neue Regulierungen gab es zwar keine wegen dem Elchtest, doch die Autoindustrie lernte aus dem Skandal. Fahrdynamikregelungen wie das ESP haben sich schneller über alle Fahrzeugklassen etabliert, als zunächst erwartet wurde – und diese Systeme sind für Bernhard Gerster ein wesentlicher Schritt, um Schleuderunfälle zu vermeiden.
Auch bei den Reifen und bei der Karosserie führte die Elchtest-Panne zu Verbesserungen. Zu hohe Schwerpunkte wissen Autobauer heute zu vermeiden. So ist auch klar: Bei einem schnellen Spurwechsel kippt heute kein Auto mehr um. Den Elchtest besteht heute jeder Neuwagen.