Immer dann, wenn jemand seine Stelle aufgibt, ohne eine neue Festanstellung zu haben, überweist die frühere Pensionskasse das angesparte Pensionskassengeld an eine Freizügigkeitseinrichtung. Sobald diese Person eine neue Stelle annimmt, wären die Arbeitnehmer gesetzlich verpflichtet, das parkierte Geld in die neue Pensionskasse zu überweisen. Doch das geschieht offenbar nicht immer.
Darum geht es:
- Auf Freizügigkeitskonten bei Banken und Versicherungen werden immer mehr Pensionskassengelder parkiert. 50 Milliarden Franken sind es bereits.
- Zu viel, sagt der Bund: Er will, dass Pensionskassen sich darum kümmern, dass dieses Geld an die richtigen Orte kommt. Die Pensionskassen wehren sich.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat das Problem nun erstmals genauer untersucht. Walter Risler von der Finanzkontrolle bestätigt: «Wir haben festgestellt, dass rund 36 Prozent der Personen, die ein Freizügigkeitsguthaben haben, dieses nicht an die neue Pensionskasse überweisen.»
Die Guthaben bei den Freizügigkeitseinrichtungen steigen munter an. Vor zehn Jahren lagerten dort 30 Milliarden Franken, jetzt sind es bereits 50 Milliarden.
Steuertrick mit absetzbarem Wiedereinkauf
Die Hälfte der befragten Kontoinhaber gebe an, einfach vergessen zu haben, ihre Guthaben zu transferieren, sagt Risler. Zehn Prozent geben zwei andere Gründe an: Dass die neue Pensionskasse finanziell ungesund sein könnte – sowie steuerliche Gründe. Letzteres ist den Steuerbehörden ein Dorn im Auge.
Rund 36 Prozent der Personen, die ein Freizügigkeitsguthaben haben, überweisen dieses nicht an die neue Pensionskasse.
Denn Arbeitnehmer könnten sich steuerliche Vorteile verschaffen, wenn sie bei einem Jobwechsel Geld auf dem Freizügigkeitskonto liegen lassen: Wenn sie am neuen Arbeitsort in ihre Pensionskasse nachzahlen können – und dafür andere Mittel verwenden, die sie steuerlich in Abzug bringen dürfen. Das kann vor allem bei gut Verdienenden einschenken. Zumindest vorübergehend jedenfalls.
Damit kein Freizügigkeitsgeld mehr ungerechtfertigt liegen bleibt, will der Bundesrat, dass die Pensionskassen in Zukunft nachforschen müssen, ob und wo Neueintretende noch allfälliges Freizügigkeitskapital liegen haben.
Die Pensionskassen wehren sich vehement. «Zu viel Aufwand», sagt Marc Gamba, Geschäftsführer der Pensionskassen-Auffangeinrichtung: «Das würde für uns bedeuten, dass wir rund 27'000 Eintritte im Jahr hätten, bei denen wir nachfragen müssten.» Dafür müsste man neues Personal einstellen, so Gamba.
Administrativer Aufwand für Kassen zu gross
Noch deutlicher äussert sich Sergio Bortolin, Chef der St. Galler Pensionskasse Asga: «Wir haben etwas über 100'000 Versicherte und jedes Jahr ein Drittel Neueintritte. Wenn wir da jedes Mal telefonieren oder schriftlich die Freizügigkeitsleistung einholen müssten, ginge jedes Augenmass für das Machbare verloren.» Er schätzt, dass die Verwaltungskosten dadurch um zehn bis 15 Prozent steigen würden – Geld, das die Versicherten zahlen müssten.
Wenn wir jedes Mal telefonieren oder schriftlich die Freizügigkeitsleistung einholen müssten, ginge jedes Augenmass für das Machbare verloren.
In Branchen, in denen Arbeitnehmer oft die Stelle wechseln, wären die Folgen einer solchen, neuen Vorschrift sogar katastrophal, prophezeit Bortolin: «Sämtliche Branchen mit Teilzeitbeschäftigten oder mit befristeten Arbeitsverträgen, wie sie in der Gastronomie oder bei Temporärfirmen üblich sind, wären nicht mehr versicherbar.» Mit anderen Worten: Kaum eine Pensionskasse wäre noch bereit, solche Arbeitnehmer aufzunehmen.
Nachforderung oder Busse bei der Pensionierung
Schon jetzt müssen Pensionskassen neu eintretende Arbeitnehmer schriftlich darauf aufmerksam machen, dass sie ihre Freizügigkeitsgelder übertragen müssen. Zusätzliche Kontrollen sind Ihnen aber des Guten zu viel. Walter Risler von der Eidgenössischen Finanzkontrolle gibt sich pragmatisch: «Es obliegt den verschiedenen Partnern, eine Lösung zu finden, damit das mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden kann.»
Branchen mit Teilzeitbeschäftigten und befristeten Arbeitsverträgen, wie sie etwa in der Gastronomie üblich sind, wären nicht mehr versicherbar.
Zu pralle Konti bei den Freizügigkeitseinrichtungen sind also offenbar meistens der Vergesslichkeit geschuldet. Jene, die damit Steueroptimierung betreiben wollen, gehen ein Risiko ein. Denn bei der Pensionierung werden der Steuerverwaltung alle Pensionsansprüche automatisch gemeldet – auch die Auszahlungen von Freizügigkeitsstiftungen. Wer dann auffliegt, riskiert eine Steuernachforderung – und eventuell sogar eine Busse.