Die Raiffeisen-Gruppe versucht ihre unrühmliche Vergangenheit unter dem früheren Chef Pierin Vincenz abzuschütteln: Doch trotz einschneidender Reorganisation an der Banken-Spitze ist die Genossenschaftsbank noch nicht am Ziel.
Die Führungs-Crew der Raiffeisen-Gruppe ist zwar praktisch komplett neu zusammengesetzt: 7 von 9 Verwaltungsräten sind seit weniger als einem Jahr im Amt, und mehr als die Hälfte der Geschäftsleitungsmitglieder sind taufrisch im Gremium, teils lediglich interimistisch. Alle andern sind mehr oder weniger freiwillig zurückgetreten, teils abrupt.
Rein personell hat Raiffeisen mit dem Erneuern der Top-Etage den Weg für einen Neuanfang geebnet. In die Zukunft geführt wird die Bank von zwei ehemaligen Kantonalbanken-Chefs: Von Verwaltungsratspräsident Guy Lachappelle und von Bankenchef Heinz Huber.
Aufarbeitung förderte gravierende Mängel zutage
Die Vergangenheit wird die beiden unweigerlich immer wieder einholen. Das ist nicht zuletzt eine Folge der bank-internen Aufarbeitung: So hat Raiffeisen im letzten Jahr die «Ära Vincenz» vom Wirtschaftsprofessor Bruno Gehrig durchleuchten lassen.
In seinem Abschlussbericht, der kürzlich veröffentlicht wurde, stellte Gehrig zwar kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten der damaligen Führungs-Crew fest. Er ortete aber insbesondere in den Jahren 2012-2015 gravierende Mängel beim Umgang mit Beteiligungen und Zukäufen.
Die Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma prüft nun, ob sie gestützt auf den Gehrig-Bericht weitere Massnahmen im Fall Raiffeisen ergreifen muss.
Die Finma hatte bereits im letzten Sommer «schwerwiegende Mängel» in der Unternehmensführung festgestellt. Der Verwaltungsrat hat demnach die Aufsicht über Bankenchef Vincenz vernachlässigt und Interessenkonflikte ungenügend beachtet.
Staatsanwaltschaft im Nacken
Da ist zudem die Zürcher Staatsanwaltschaft: Sie ermittelt unter anderem gegen den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wegen Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung. Ob formell Anklage erhoben wird, ist offen. So oder so wird die Untersuchung für weitere Schlagzeilen sorgen.
Da ist schliesslich die Raiffeisen-Spitze selber: Verwaltungsratspräsident Lachappelle lotet seine rechtlichen Möglichkeiten aus, um allenfalls von den früheren Bank-Verantwortlichen Geld zurückzufordern. Ausgang offen.
Raiffeisen und die Reorganisation
Neben diesen laufenden Untersuchungen wird die Raiffeisen-Gruppe weiterhin stark mit sich selbst beschäftigt sein. So läuft eine grosse Reorganisation. Dabei werden die Zuständigkeiten zwischen der St. Galler Zentrale einerseits und den 246 Genossenschaftsbanken andererseits neu geklärt. Die Stossrichtung ist klar: Die Zentrale soll Macht in die Regionen zurückgeben.
Das neue Führungs-Duo mit Guy Lachappelle und Heinz Huber wird also noch längere Zeit mit den Altlasten ihrer Vorgänger beschäftigt sein.