Generalversammlungen finden auch nach Aufhebung der Corona-Massnahmen zum grossen Teil virtuell statt. Das bringt nun Kritiker auf den Plan. Etwa Vincent Kaufmann, Geschäftsführer der Stiftung Ethos. Er sieht die Rechte der Aktionäre und Aktionärinnen, die er vertritt, unnötig beschränkt.
«Interventionen oder Gegenvorschläge zu machen, ist nicht möglich. Es sind tatsächlich starke Restriktionen bei den Aktionärsrechten», betont Kaufmann. Selbst während der Pandemie habe die Covid-Verordnung den Firmen virtuelle GVs nicht zwingend vorgeschrieben. Sie konnten zwar, aber sie mussten dies nicht tun.
Interventionen oder Gegenvorschläge zu machen, ist nicht möglich. Es sind starke Restriktionen bei den Aktionärsrechten.
Selbst während der Pandemie hätten Generalversammlungen also physisch durchgeführt werden können, zum Beispiel für Aktionärinnen und Aktionäre mit einem gültigen Covid Zertifikat.
Nur mit dabei, aber nicht aktiv beteiligt
In Tat und Wahrheit finden sie auch jetzt noch virtuell statt. Virtuell bedeutet dabei nicht etwa ein interaktiver Video-Call. Die GVs werden lediglich ausgestrahlt. Laut Vincent Kaufmann ist es dann nicht möglich, Fragen live zu stellen.
Das benachteilige vor allem Kleinaktionäre, erklärt Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern: «Jene Personen, die Generalversammlungen bräuchten, sind die Kleinaktionäre.» Denn Grossaktionäre hätten sämtliche Informationen und würden beim Informationsregime sogar regelmässig privilegiert.
Die Personen, die Generalversammlungen bräuchten, sind die Kleinaktionäre.
Frage-Forum vor der GV – ein echter Ersatz?
Anders sieht das Barbara Heller, Leiterin des Beratungsunternehmens Swipra, das auf gute Unternehmensführung spezialisiert ist.
Nach ihren Worten ist die Aktionärsdemokratie auch mit virtuellen GVs nicht in Gefahr: «Viele Unternehmen stellen im Vorfeld von Generalversammlungen die Möglichkeit eines Frage-Forums zur Verfügung.» So könnten sich auch Kleinaktionäre beteiligen und auch ihre Fragen und Anliegen würden berücksichtigt.
Viele Unternehmen haben im Vorfeld von Generalversammlungen die Möglichkeit eines Frage-Forums zur Verfügung gestellt.
Es können dabei nicht nur die Fragen an die Unternehmensspitze, sondern auch die Voten weiterhin eingereicht werden. Kritikerinnen wie Ethos bemängeln aber, dass die schriftlichen Fragen vor der eigentlichen GV eingereicht werden müssen. Das erschwere den Dialog.
Klar ist: Unternehmen, die auf virtuelle Generalversammlungen setzen, ersparen ihrer Firmenspitze, sich den Fragen ihrer Kleinaktionärsschaft eins zu eins zu stellen. Sie müssen so die manchmal sehr emotional vorgetragenen Voten nicht über sich ergehen lassen.