Das Wichtigste in Kürze:
- WIR ist eine Parallel-Währung, die von der WIR-Bank in Basel herausgegeben wird.
- Umgesetzt werden jährlich rund 1,3 Milliarde WIR – ein WIR entspricht gemäss Definition der WIR-Bank einem Franken.
- Wer WIR akzeptiert, muss diese WIR auch wieder loswerden, das ist zunehmend schwierig.
- Auf dem Graumarkt werden WIR weit unter dem offiziellen Preis von 1:1 zum Franken gehandelt.
Kryptowährungen wie Bitcoin sind nicht die einzigen Parallelwährungen in der Schweiz. Seit den 1930er Jahren gibt es die WIR-Währung (siehe Box). Sie war unter kleinen und mittelgrossen Unternehmen lange weit verbreitet. Doch immer mehr Unternehmen wenden sich ab.
Und es sind gewichtige Unternehmen, die abgesprungen sind: der Autoimporteur Amag, der Küchen- und Badezimmereinrichter Sanitas Trösch, der Baumaterialhändler HG Commerciale. Germann Wiggli, CEO der WIR-Bank, beschwichtigt: «Wie gross die Mitgliederzahl genau ist, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass die Mitglieder, die dabei sind, eine gewisse Dynamik ausstrahlen und wirklich hinter dem System stehen und das System gut anwenden und praktizieren». Wie viele Unternehmen im laufenden Jahr insgesamt abgesprungen sind, möchte die Bank nicht kommunizieren.
Ein grosser Mitspieler im WIR-System ist Implenia. Die grösste Schweizer Baufirma vergibt Aufträge bevorzugt an Firmen, die WIR akzeptieren, wie der Einkaufsleiter Jens Sasse erklärt: «Es ist ein Vergabekriterium, welches eine Rolle spielt. Wenn wir WIR haben, dann ist unser Ansinnen letztendlich gross, unsere WIR auch wieder am Markt zu platzieren».
Das System ist dysfunktional
Wer WIR einnimmt, muss sie auch wieder loswerden. Viele Unternehmen beklagen auf Anfrage fehlende Absatzmärkte für ihre WIR. In den besten Jahren verzeichnete die WIR-Bank einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden WIR. Letztes Jahr wurden nur noch knapp 1,3 Milliarden WIR umgesetzt. Damit haben sich die Umsatzzahlen des WIR beinahe halbiert. Die Mitgliederzahl ist seit 2005 um 25 Prozent zurückgegangen. Die im Umlauf befindlichen WIR finden deshalb weniger Abnehmer.
Das macht das System tendenziell weniger attraktiv. Sogar Baugigant Implenia merkt dies: «Es sind einige Netzwerkteilnehmer ausgetreten, mit denen wir viele Geschäfte gemacht haben. Das macht uns derzeit die Abgabe von WIR deutlich schwerer.»
Vergangenen Herbst startete die Bank einen Rettungsversuch. Digitalisierung, verstärkte Werbung und neue Geschäftsbedingungen haben bisher jedoch keine Verbesserung der Lage bewirkt. Im Gegenteil: Es kam zu vielen Austritten.
WIR auf dem Graumarkt
Wer als KMU keine Absatzmärkte für seine WIR findet, verkauft sie auf dem Schwarzmarkt. Die Statuten der WIR-Bank verbieten zwar diesen Handel mit WIR, rechtlich gesehen ist er jedoch zulässig. Erich Meier aus dem Tessin ist ein WIR-Händler «Jeder, der WIR nimmt und die WIR nicht losbringt, bringt die WIR zu uns». Allerdings müssen Unternehmer erhebliche Verluste in Kauf nehmen. Für 100 WIR erhält ein Verkäufer gerade mal 65 Schweizer Franken; ein Abschlag von 35 Prozent.
Dieses Jahr hat Erich Meier besonders viele Anfragen erhalten. «1000 bis 100’000 Franken sind die Beträge, nach oben hin ist es eigentlich offen». Die WIR-Bank sieht das Problem bei den Unternehmern: «Es kann sein, dass einzelne WIR-Kunden einen Überbestand an WIR haben. Überbestand bedeutet, sie kümmern sich eigentlich nicht darum».
Austreten ist schwierig
WIR-Kunden hören diesen Vorwurf nicht gerne. Auch der Baukonzern Frutiger, immerhin die Nummer vier der Branche, hat Mühe, seine WIR loszuwerden Das Unternehmen erwägt deshalb den Ausstieg, wagt diesen Schritt gemäss Finanzchef Urs Balzli aber noch nicht: «Wir würden bei einem vollständigen Ausstieg einen Wettbewerbsnachteil erleiden, solange wichtige Mitbewerber nach wie vor WIR akzeptieren.»
Das WIR-System – einst für gemeinsames Wachstum und in Kooperation entstanden – ist eine Art Zwangssystem geworden. Die besten Zeiten hat es hinter sich.