Urban Angehrn, 56-jährig, Mathematiker und Physiker und bis vor kurzem Geschäftsleitungsmitglied bei der Zurich-Versicherung. Viel weiss man noch nicht vom neuen Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) und Nachfolger vom Mark Branson. Die Behörde mit Hauptsitz in Bern nahm im Januar 2009 ihre Tätigkeit auf, zählt über 500 Mitarbeitende und steht regelmässig im Rampenlicht.
Ein fachkundiger Beobachter ist Urs Zulauf. Er war selber 30 Jahre bei der Bankenaufsicht und ist seit acht Jahren selbständiger Berater für Finanzmarkt-Regulierungsfragen. Er stellt fest: «Die Finma hat sich seit der Schaffung vor 13 Jahren im In- wie im und Ausland breiten Respekt verschafft.»
Die Finma hat sich seit der Schaffung vor 13 Jahren im In- und Ausland breiten Respekt verschafft.
Klare Fortschritte und mehr Berufsverbote
Dennoch ist der Schweizer Finanzplatz immer wieder in Skandale verwickelt – in Geldwäscherei, Korruption oder teure Fehlspekulationen. Das könne man aber nicht der Aufsichtsbehörde anlasten, findet Zulauf. Entscheidend dünkt ihn, dass die Finma diese Fälle aufgedeckt und auch durchgegriffen hat.
So hat die Aufsichtsbehörde fehlbaren Banken schon vorübergehend gewisse Geschäfte ganz verboten, oder sie hat organisatorische Massnahmen eingefordert und die Umsetzung vor Ort kontrolliert. «Und sie hat strategisch entschieden, stärker Berufsverbote auszusprechen. Sie hat das auch insgesamt gegen 60 Fällen getan, und dies entgegen anderslautender Stimmen auch gegen hochrangige Manager», betont Zulauf.
Zu wenig Biss gegen Top-Etagen?
Anders sieht das Monika Roth: Die Compliance-Expertin, die sich auf Sorgfaltspflichten bei Banken spezialisiert hat, stellt zwar auch fest, dass die Finma nicht nur gegen Unternehmen, sondern auch gegen Einzelpersonen vorgeht. «Aber wenn die Finma dann wirklich untersucht, wird oftmals eben nicht die oberste Führungsebene ins Auge fasst, sondern Kundenberater oder Compliance-Officer», schätzt Roth.
Wenn die Finma dann wirklich untersucht, wird oft eben nicht die oberste Führungsebene ins Auge fasst, sondern Kundenberater oder Compliance-Officer.
Derweil würden die Mitglieder der Geschäftsleitung oft geschont. Denn es gibt in der Schweiz ein Problem, mit dem auch der neue Finma-Direktor Urban Angehrn ab jetzt konfrontiert ist: Will er Chefinnen und Chefs für Verfehlungen in der Bank sanktionieren, dann muss er laut Roth einer Person nachweisen, dass sie etwas gewusst, versäumt oder unterlassen hat.
Erwünscht: schärfere Instrumente
In Grossbritannien beispielsweise kann die oberste Führungscrew eines Geldhauses unter Umständen auch ohne juristisch wasserdichten Beleg des Mitwissens belangt werden: Schlicht, weil sie für die Vorgänge im Unternehmen mitverantwortlich ist. Das wird so rasch in der Schweiz nicht möglich sein. Entsprechend muss der neue Finma-Direktor Urban Angehrn den Schweizer Finanzplatz mit den bestehenden Instrumenten im Zaum halten.