Die Credit Suisse hat die vollständige Kontrolle über ihre Existenz verloren. Selbst wenn sie keine grösseren Fehler mehr begeht, müssen die Märkte nun günstig für sie laufen. Keine Selbstverständlichkeit in der aktuell turbulenten Krisenzeit.
Wo die grossen Risiken lauern, offenbart auch der verspätet publizierte CS-Geschäftsbericht. Hier eine Auswahl:
Grosse Sorge: Kundenexodus
Die Credit Suisse verliert seit Oktober 2022 massenhaft Kundinnen und Kunden. Allein im vierten Quartal wurden Einlagen in der Höhe von 110 Milliarden Franken abgezogen. Gemäss Geschäftsbericht konnte der Kundenabfluss im neuen Jahr zwar reduziert, aber bis heute nicht gestoppt werden. Es findet eine Art «bank run light» statt, der typischerweise auftritt, wenn die Kundschaft an der Zukunft der Bank zweifelt.
Derart hohe Kundenabflüsse in so kurzer Zeit belasten die Liquidität, welche die Bank zum Atmen braucht. Denn das Kundengeld hat die Bank selber angelegt oder damit Kredite vergeben. Unter Druck, wenn es schnell gehen muss, wird sich die Bank zu schlechteren Konditionen aus diesen Geschäften zurückziehen müssen, um die benötigte Liquidität zu beschaffen.
Oder sie muss ihren Kapitalpuffer für Notfälle anzapfen. Das hat sie laut eigenen Angaben jüngst auch getan. Sie habe gar «gewisse regulatorische Anforderungen unterschritten».
Natürlich hat die Credit Suisse ihrer Kundschaft mit der neuen Strategie eine neue Perspektive gegeben. Und sie kann diese im persönlichen Gespräch überzeugen, zu bleiben. Aber die CS ist längst in eine Abwärtsspirale geraten. Solange der Kundenexodus weitergeht, schürt dies zusätzlich Angst bei den verbleibenden Kunden.
Erschwerter Zugang zum Kapitalmarkt
Eine weitere Sorge betrifft die Fähigkeit, Kapital an der Börse zu beschaffen. Kapitale sind die Mittel, die die Bank - im Unterschied zur Liquidität - langfristig fürs Geschäften braucht.
Entscheidend für die Kapitalbeschaffung sind neben den anderen Banken und Investoren auch die Ratingagenturen, zu denen etwa Moody's, S&P und Fitch gehören. Sie alle haben die Credit Suisse zuletzt bezüglich Kreditwürdigkeit herabgestuft. Nimmt die Bank künftig Kapital an der Börse auf, muss sie aufgrund der schlechteren Bewertung einen höheren Zins dafür zahlen. Denn Investoren wollen für das höhere Ausfallrisiko auch höher entschädigt werden.
Sollten weitere Herabstufungen der Agenturen folgen und diese die CS gar als nicht mehr «investitionswürdig» deklarieren, würde dies enorme, existenzgefährdende Kosten für die Bank bedeuten.
Wer will noch bei der CS arbeiten?
Auf eine starke Kapitalbasis und Liquidität ist die Grossbank in der Phase ihres Umbaus angewiesen. Sie hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt. Jede neue Belastung könnte die CS vom Weg abbringen.
Mitentscheidend wird auch das Personal sein, das den schwierigen Weg antritt. Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass von Abgängen wichtiger Kaderleute berichtet wird. Das Suchen und Finden von neuen «Talenten» stellt sich für die CS als «herausfordernd» dar, wie es im Geschäftsbericht heisst. Es herrsche ein «intensiver Wettbewerb», in dem jene Banken gewinnen, die die Jobsuchenden mit Grösse, Stärke und Reputation überzeugten. Die Credit Suisse hat sich in diesen Bereichen längst in die zweite Reihe verabschiedet.
Auch das Argument «Bonus» fällt zunehmend weg. Aufgrund der aktuellen Schieflage zahlt die Bank deutlich tiefere Boni aus. Nicht nur aus finanziellen Gründen: «Der öffentliche Fokus auf die Kompensationspraxis in der Finanzwelt führt zu neuen Regulationen und beeinflusst unsere Fähigkeit, Top-Personal zu behalten und zu rekrutieren.»
Die Credit Suisse kämpft sich wie eine angeschlagene Kämpferin von Runde zu Runde und hofft, mit einem «lucky punch» zurückzukehren. Ob sie es allein schafft, ist so unsicher wie noch nie. Das vorübergehend neue Aktien-Allzeittief im Zuge der allgemeinen Sorge um die Finanzwelt weckt keine Hoffnungen.