Worum geht es?
Das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) unterscheidet zwischen Arbeitnehmenden, Selbständigen und sogenannten Personen in einer arbeitgeberähnlichen Stellung. Letztere müssen zwar wie Arbeitnehmende Beiträge in die Arbeitslosenversicherung (ALV) leisten, haben aber wie Selbständige keinen Anspruch auf deren Leistungen. Ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung kann erst geltend gemacht werden, wenn die Unternehmer ihre arbeitgeberähnliche Stellung vollumfänglich aufgegeben haben. Beispielsweise durch eine neue Anstellung in einem anderen Betrieb, durch den Verkauf des Unternehmens oder nach dessen Liquidierung.
Warum diese Ungleichbehandlung?
Die Berechnung der Ansprüche auf Arbeitslosenentschädigung erfolgt auf Basis der Höhe des AHV-pflichtigen Lohns der letzten sechs oder zwölf Monate. Da Personen in arbeitgeberähnlichen Stellungen die Höhe ihres Einkommens selbst bestimmen, bestehe die Gefahr, dass sie ihren Lohn zu hoch angeben, um so mehr Arbeitslosengelder erhalten zu können, wie der Bundesrat begründet. Ausserdem sei die ALV eine Versicherung für Arbeitnehmende, die den Verlust ihrer Anstellung weder bestimmen noch beeinflussen können.
Wieso soll die Bestimmung geändert werden?
Die parlamentarische Initiative von FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt möchte die Ungleichbehandlung stoppen: «Diese Situation ist ungerecht und widerspricht dem Gedanken einer Versicherung, wo eine Kongruenz zwischen Beitragszahlenden und Leistungsbezügerinnen und Leistungsbezüger herrscht», begründen die Initianten.
Was spricht für eine Änderung?
Laut Martina Filippo, Sozialversicherungsexpertin an der ZHAW, liegt der Vorteil des Vorschlags im einfacheren Zugang zu Arbeitslosengeldern für KMU-Betreiber. Dieser Zugang bringe auch mehr Sicherheit für Unternehmer wie Restaurantinhaber Markus Huber. Dieser sagt: «Ich habe jetzt seit 27 Jahren eingezahlt und wenn irgendetwas mit dem Betrieb passieren würde, würde ich natürlich in die Röhre schauen, wie auch die Familienangehörigen, die Kinder, die Frau.»
Was spricht dagegen?
Bundesrat, Kantone und Expertin Filippo sind gegen die Vorlage, weil der erleichterte Zugang etwa das Missbrauchspotenzial beim Bezug von Leistungen der ALV erhöhen könnte, wie sie sagen. Die geltende Regelung stelle «einen guten Kompromiss dar zwischen dem besonderen innerbetrieblichen Status von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in arbeitgeberähnlicher Stellung und der Berücksichtigung des damit verbundenen Missbrauchsrisikos», schreibt der Bundesrat. Die Neuregelung würde zudem einen erheblichen bürokratischen Aufwand für die Kontrolle der ALV-Gesuche bedeuten, um Missbräuche zu verhindern. Ein weiterer Einwand: Unternehmer könnten wegen der neuen Versicherung dazu verleitet werden, höhere Risiken einzugehen, sagt etwa die Expertin.
Wie geht es nun weiter?
Nachdem der Nationalrat im Juni der Gesetzesänderung deutlich zugestimmt hatte, wies der Ständerat die Vorlage mit 27 zu 18 Stimmen an die Kommission zurück. Diese Entscheidung kam unerwartet, da es in der Vorberatung nur eine einzige Gegenstimme gegeben hatte. Nun soll der Regulierungsaufwand und das Missbrauchspotenzial konkreter aufgezeigt werden.