1990 wurde Asbest in der Schweiz verboten. Seither ist es nicht mehr erlaubt, Asbest zu verbauen. Eigentlich müsste die Zahl der Toten deshalb sinken. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Zahl der Todesfälle steigt, auf zuletzt 170 im Jahr 2021. Das zeigen neuste Zahlen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva.
Seit 1939 sind laut Suva fast 3000 Arbeitnehmende an einer asbestbedingten Berufskrankheit gestorben. Besonders dramatisch ist die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre: Bei Berufen der Holzverarbeitung, des Bau-Neben- und -Hauptgewerbes sowie der Energie steigt die Zahl der Toten. Betroffen sind beispielsweise Elektrikerinnen, Abbruchunternehmer, Boden- und Plattenleger, Malerinnen und Gipser sowie Küchenschreiner.
Mangelndes Bewusstsein
Fast jeder zweite asbestbedingte Todesfall erfolgt inzwischen im Ausbaugewerbe.
Was sind die Gründe für diese dramatische Zunahme? Martin Gschwind, Experte für Gesundheitsschutz bei der Suva, vermutet, dass es an mangelndem Bewusstsein für das Thema liege. Zu wenigen sei klar, dass in praktisch jedem Gebäude, das vor dem Asbest-Verbot von 1990 erstellt wurde, Asbest verbaut wurde.
Asbest ist überall
Asbest kann sich überall verbergen: Im Bad als Fliesenkleber unter einem Plattenboden, im Fensterkitt zwischen Holzrahmen und Glas, als Kleber unter Parkett- und Novilonböden oder im Verputz von Wänden.
Solange nichts verändert wird, ist verbauter Asbest ungefährlich für Bewohnerinnen und Bewohner von Wohnungen und Häusern. Doch sobald Eingriffe in die Bausubstanz vorgenommen werden, besteht die Gefahr, dass Asbestfasern freigesetzt werden. Das gilt für Handwerker, genauso aber auch für Heimwerkerinnen.
Weil immer mehr Häuser und Wohnungen renoviert werden, die vor 1990 gebaut wurden – nicht zuletzt aufgrund von Klima-Sanierungen –, rechnet die Suva mit mehr Menschen, die an Mesotheliom, also asbestbedingtem Brust- und Bauchfellkrebs, erkranken. Rund drei Viertel der Gebäude in der Schweiz wurden vor 1990 gebaut.
Das mangelnde Bewusstsein für die Gefahr, die von Asbest ausgeht, zeigt sich auch bei Baustellenkontrollen. Rund 20'000 Kontrollen führt die Suva insgesamt pro Jahr durch. Bei rund 3000 dieser Kontrollen liegt der Fokus auf Asbest. Bei der Hälfte der Fälle stellen die Suva-Kontrolleure einen Verstoss fest. Dann verfügen sie einen Baustopp.
Doch die Suva weiss nur von denjenigen Baustellen, wo ein Baubewilligungsverfahren stattfindet. Wenn innen im Haus Arbeiten vorgenommen werden, braucht es keine Bewilligung.
Schadstoffe ermitteln
Korrekt wäre es, von Anfang an eine Bauschadstoffermittlung durchzuführen. «Wenn das Gebäude vor 1990 gebaut wurde, kann man eine Materialprobe nehmen, wenn es etwas Kleines ist», sagt Martin Gschwind von der Suva. «Wenn es sich um einen grösseren Umbau handelt, sollte man für die Diagnostik einen Bauschadstoffermittler beiziehen. Das ist das A und O.»
Kontakt mit Asbest vermeiden
Je mehr jemand Asbest-Fasern ausgesetzt ist, desto grösser ist die Gefahr, Jahrzehnte später an einem tödlichen Krebs zu erkranken und zu sterben. Doch es gibt keine Untergrenze, bei der man sagen könnte, ein Kontakt mit Asbest-Fasern wäre ungefährlich. Deshalb gilt: Jegliche Exposition mit Asbest-Fasern sollte unter allen Umständen vermieden werden.