Auch wenn Elektroautos auf Schweizer Strassen noch eine Ausnahme sind: Ihr Aufstieg ist für Experten nur noch eine Frage der Zeit. Für viele Schweizer Autozulieferer könnte die Elektromobilität zu einer grossen Herausforderung werden. Über 40 Prozent von ihnen liefern Produkte für Motoren, Getriebe oder den Antriebsstrang. Dieses Geschäft ist unmittelbar betroffen, wenn Verbrennungsmotoren weniger gefragt sind.
Anja Schulze, Professorin für Technologie-Management an der Universität Zürich, hat die Schweizer Automobilindustrie in einer Studie genau unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: Ein guter Teil der Zulieferbetriebe nehme die Entwicklung wahr und beginne sich Gedanken zu machen, wie sie in den neuen Geschäftsfeldern mitmischen könnten.
Neue Entwicklungen sind gefragt
Zum Beispiel beim Familienunternehmen Panolin aus dem Zürcher Oberland: Rund 20 Prozent des Schweizer Geschäfts entfällt auf Öle für Benzin- und Dieselmotoren. Weil dieses Geschäft künftig schrumpfen dürfte, entwickelt das Unternehmen seit rund anderthalb Jahren ein Öl, das die Kühlung im Elektroantrieb gewährleisten soll. Noch befindet sich das neue Produkt erst in einem Feldversuch. In einigen Jahren soll es den Umsatzausfall durch Motoröl ausgleichen, so die Hoffnung.
Auch das Textilunternehmen Sefar aus Thal im Kanton St. Gallen setzt auf neue Entwicklungen. Bisher produziert die Firma unter anderem Gewebe-Filter, die zum Beispiel in Benzin- und Dieselmotoren zum Einsatz kommen. Ein Sechstel ihres Gesamtumsatzes generiert das Unternehmen jährlich in diesem Bereich – die Hälfte davon könnte in den nächsten zehn Jahren wegfallen, so die Prognose. Die Verluste im herkömmlichen Geschäft kompensieren soll ein neu entwickeltes Heizgewebe, das den Innenraum von Elektroautos wärmt. Es soll in den nächsten Jahren marktreif werden.
Erst in letzter Zeit spürt Sefar ein zunehmendes Interesse an Technologien für Elektroautos. «Diskussionen um alternative Antriebstechnologien gibt es schon lange. Wir hatten allerdings nicht das Gefühl, dass Automobilbauer viel entwickelt und Lösungen von den Lieferanten gefordert haben», sagt Rico Thüler. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Sefar. Erst nach den Abgasdiskussionen und -skandalen der letzten Jahre sei ein Ruck durch die Industrie gegangen.
Schweizer Automobilindustrie hat gute Chancen
Im Vergleich zu Unternehmen wie Panolin und Sefar müssen Autozulieferer, die nicht direkt im Motor-Bereich tätig sind, weniger um ihr Geschäft bangen. Aber auch sie müssen ihre Produkte mitunter an neue Gegebenheiten im Elektroauto anpassen.
Insgesamt ist Anja Schulze von der Universität Zürich optimistisch. «Die Schweizer Automobilindustrie hat sehr gute Chancen, an dieser neuen Entwicklung zu partizipieren. Weil doch viele Kompetenzen auch vorhanden sind, die durchaus Einsatz finden können. Sie können auch in Produkte umgewandelt werden, die dann wiederum Einsatz finden im Bereich der Elektromobilität.»