Vieles in der Geschichte des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard tönt wie aus einem Krimi. Nun beginnt in München der Strafprozess gegen den früheren Wirecard-Chef Markus Braun – knapp zweieinhalb Jahre nach dem Kollaps des Konzerns.
Die Staatsanwaltschaft hat Braun und zwei ehemalige Wirecard-Manager des Zahlungsdienstleisters unter anderem wegen des Verdachts des gewerbsmässigen Bandenbetrugs angeklagt. Sie sollen mithilfe gefälschter Bilanzen Banken und Kreditgeber um insgesamt 3.1 Milliarden Euro geprellt haben.
Ex-Wirecard-Chef sieht sich als Opfer
Es droht ein Mammutprozess zu werden. Die Vorwürfe gegen Markus Braun sind komplex, die Anklage umfasst 474 Seiten. Die Staatsanwaltschaft München hat zwei Jahre daran gearbeitet. Im Strafprozess sind zunächst auf 100 Verhandlungstage bis Ende 2023 angesetzt.
Braun sitzt seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. Braun weist jedoch die Anklage zurück und wirft den Ermittlern indirekt mangelnde Sorgfalt vor. Auch der frühere Leiter einer Wirecard-Tochtergesellschaft in Dubai, Oliver B., steht vor Gericht. Er hat sozusagen ausgepackt und ist Kronzeuge der Staatsanwaltschaft.
Markus Braun sieht sich als Opfer des Betrugs, der von den Vorgängen nichts gewusst habe. Er schreibt die Verantwortung seinem ehemaligen Weggefährten Jan Marsalek, ehemaliger Vorstand von Wirecard, zu. Die Staatsanwaltschaft sagt, die verschwundenen 1.9 Milliarden Euro habe es gar nie gegeben. Laut Verteidigung ist das Geld in die Taschen von Jan Marsalek und dessen Leuten geflossen.
Chronik eines Skandals
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Wirecard wurde 1999 gegründet und verdiente Geld als Dienstleister für Online-Zahlungen, auch für Pornografie- und Glücksspielseiten. Die Zeitung «Financial Times» weist 2015 auf Ungereimtheiten bei Wirecard hin.
Das Unternehmen wächst rasant und verdrängt 2018 die Commerzbank aus dem deutschen Aktienindex Dax. Wirecard ist zu dieser Zeit mehr wert als die Deutsche Bank. Trotz Verdacht auf Unregelmässigkeiten: Die Wirtschaftsprüfer von EY reagieren gemäss Kritikern viel zu spät: Erst für das Geschäftsjahr 2019 verweigern sie, den Wirecard-Jahresabschluss zu testieren, was faktisch das Ende des Unternehmens bedeutet.
Wirecard meldet am 25. Juni 2020 Insolvenz an. Dem Geschäftsführer Markus Braun und weiteren Angeklagten wird vorgeworfen, Jahresabschlüsse aufgebläht zu haben, in dem sie Einkünfte von Drittfirmen einbezogen, welche Zahlungen für Wirecard leisten sollten. Die Transaktionen – abgewickelt in Dubai, den Philippinen und Singapur – existierten laut der Staatsanwaltschaft jedoch «nicht wirklich».
Hauptverdächtiger auf der Flucht
Grosser Abwesender beim Prozess ist der Hauptverdächtige der Bilanzfälschung im Betrugsskandal: der Österreicher Jan Marsalek.
Der ehemalige Weggefährte von Markus Braun ist seit Juni 2020 auf der Flucht und international zur Fahndung ausgeschrieben. Marsalek wird die Nähe zum russischen Geheimdienstkreisen nachgesagt, weshalb Beobachter vermuten, er sei in Moskau untergetaucht.
Finanzaufsicht in der Kritik
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Auch die deutsche Finanzaufsicht (Bafin) geriet im Wirecard-Skandal in den Fokus: Sie hätte Unregelmässigkeiten bei Wirecard früher erkennen müssen, sagen Kritiker. Zudem erliess die Bafin eine umstrittene Massnahme: Ein Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien, was laut Kritikern ein verheerendes Signal für Kleinanleger bedeutete.
Als Konsequenz des Skandals musste der Bafin-Chef Anfangs 2021 seinen Sessel räumen. Der damals zuständige Bundesfinanzminister Olaf Scholz weist die Verantwortung für den Skandal zurück, kündigte aber Reformen bei der Prüfung und Aufsicht von Unternehmen an.
Die Bafin habe ihre Lehren aus dem Fall gezogen, schreibt eine Bafin-Sprecherin auf Anfrage von SRF: «Wir sind heute mutiger, aktiver und transparenter geworden. Wir zögern nicht, frühzeitig und gezielt einzugreifen, wenn wir Risiken für die Stabilität oder Integrität von Instituten oder des gesamten Finanzsystems sehen.» Die Bafin sei heute zudem besser aufgestellt, sowohl rechtlich als auch organisatorisch. «Bei der Bilanzkontrolle kann die Bafin jetzt direkter und transparenter vorgehen. Dieses Vorgehen soll mit der Zeit präventiv wirken und Bilanzbetrüger abschrecken.»
Wenig Hoffnung für Kleinanleger
Der Wirecard-Skandal bedeutet nicht nur einen Imageschaden für den Finanzplatz Deutschland – für Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer – sondern auch Verluste für viele geprellte Kleinanleger. Die Aussichten, dass sie ihr Geld zurückerhalten, sind klein.
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