Trotz eines Rückgangs der Lernenden seit 2014 ist das KV noch immer mit Abstand die beliebteste Berufslehre der Schweiz. Jedes Jahr schliessen mehr als 12'000 junge Menschen eine KV-Lehre ab. Diese wurde vor genau 150 Jahren vom Kaufmännischen Verband Schweiz ins Leben gerufen.
«Neben rechnerischer und sprachlicher Begabung setzt die kaufmännische Laufbahn auch charakterliche Eignung voraus.» So tönt die bedeutungsschwangere Off-Stimme im Film des kaufmännischen Verbandes aus dem Jahr 1967. Vieles im Film ist aus der Zeit gefallen, eines gilt wohl heute noch: «Verlangt werden vor allem: Anpassungsfähigkeit, Ausdauer, Verschwiegenheit, Ordnungsliebe, Ehrlichkeit.»
Der Blick zurück zeigt: Die Ausbildung für angehende Kaufleute wandelte sich stetig. Technischer Fortschritt änderte das Berufsbild. «Mit dieser Maschine kann man eine Buchung viel rationeller und kräftesparender vornehmen», hiess es 1967 über eine ausgeklügelte Rechenmaschine. Auch das ist heute mit dem PC längst Geschichte geworden.
Heute stellt sich angesichts der fortschreitenden Digitalisierung vor allem die Frage: Braucht es überhaupt noch so viele ausgebildete Kaufleute? Bis zu 100'000 Stellen seien gefährdet, besagt eine Studie, die der Verband in Auftrag gegeben hat.
Uns geht die Arbeit nicht aus.
Christian Zünd, Geschäftsführer des Kaufmännischen Verbands Schweiz, glaubt trotzdem an die Zukunft der KV-Lehre. «Gewisse Routinetätigkeiten fallen weg, aber andere Tätigkeiten kommen dazu. Ich bin überzeugt, uns geht die Arbeit nicht aus.» Die Arbeit werde sogar spannender und interessanter. Aber man müsse die Jugendlichen auf die Anforderungen vorbereiten.
Fit für die Zukunft - mit Reformen
Weil sich die Berufswelt verändert und damit die Ansprüche an junge Kaufleute, wurde eine Reform für die KV-Lehre ausgearbeitet, wie es beim Kaufmännischen Verband heisst. Im August dieses Jahres tritt die Reform in Kraft. Das Ziel sei, mehr digitale Kompetenzen zu vermitteln. Es bedeutet aber auch: weniger Sprachunterricht, dafür mehr Handlungskompetenz.
«Ich befürworte das. Vieles im Schulsystem ist etwas veraltet, und oft wird frontal unterrichtet», sagt Ivana Skaro, Nachwuchsverantwortliche der Raiffeisenbank in Altstätten SG. Mit der Reform arbeiten die angehenden Kaufleute selbständiger. «Es sitzt nicht permanent jemand hinter einem und sagt, was zu tun ist», so Skaro. «Team- und Sozialkompetenz wird mehr gefördert: mit Gruppenarbeiten und Projekten, und die Lernenden müssen Führung übernehmen».
Kritik an der KV-Reform
Nicht alle sind begeistert über die Reformpläne. So kritisierte der Zürcher Bankenverband die Streichung von Unterrichtsfächern zugunsten der Handlungskompetenzbereichen und den Verzicht auf Promotion. Der Bankenverband befürchtete, dass das Niveau der KV-Lehre sinke.
Der Verband hält an seiner Kritik fest, kann aber inzwischen damit leben. Dies, weil die Reform flexibel umgesetzt und die Qualität hochgehalten werde. Der Anschluss an die Berufsmaturität sei gesichert, schreibt Daniel Hunziker, Präsident des Bankenverbands.
Doch warum nimmt die Zahl der KV-Lernenden seit 2014 ab? Darüber kann der Kaufmännische Verband nur mutmassen. Gründe seien die Konkurrenz durch das Gymnasium und die Entstehung neuer Lehrberufe. Christian Zünd findet aber: «Die KV-Lehre hat noch immer ihre wesentliche Berechtigung, und es braucht Leute, die von Grund auf in der Wirtschaft lernen.»