Margrethe Vestager, EU-Wettbewerbskommissarin und politisch im liberalen Lager agierend, hat verloren. Das EU-Gericht kommt in einem wegweisenden ersten Urteil zum Schluss, dass der Computer-Konzern Apple in Irland nach geltendem Recht besteuert wird.
Urteil nicht ganz überraschend
Das Gericht bestätigt eigentlich nur die bisherige Rechtsprechung. In ähnlichen Verfahren gegen Starbucks in den Niederlanden oder gegen Steuererleichterungen, die Belgien internationalen Konzernen gewährt, urteilte das Gericht bereits gegen die EU-Kommission und für die weitreichenden Steuererleichterungen, welche einzelne EU-Staaten gewähren.
Wegweisend ist das Urteil, weil andere laufende Verfahren gegen IKEA oder Nike ähnlich gelagert sind wie der Fall Apple. Konsequenterweise muss die EU-Kommission auch in diesen Fällen mit einer Niederlage vor dem EU-Gericht rechnen. Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen, denn das Urteil kann noch weiter an den EU-Gerichtshof gezogen werden. Allerdings: Heute hat das Gericht in der Sache entschieden und das ist bemerkenswert.
Rückschlag für Vestager
Das Urteil ist ein Rückschlag für Margrethe Vestager, die nunmehr Vizepräsidentin der EU-Kommission für Digitales ist. Sie hatte viel Prestige in diese Fälle investiert. Vestager gewann politisch an Einfluss in der EU-Kommission. Dies, wegen ihrer harten Haltung gegenüber internationalen Konzernen, die die unterschiedlichen Steuerbestimmungen gewisser EU-Staaten so nutzen, dass sie für ihre Geschäfte in der EU fast keine Steuern bezahlen.
Apple versteuert in Irland 2014 seine Gewinne in Europa zu einem vorteilhaften Steuersatz von 0.005 Prozent. Vestager ist eine erklärte Gegnerin von einem solchen, in ihren Augen übertriebenen, Steuer-Wettbewerb unter den EU-Staaten. Die Niederlage in der Causa Apple kann sie politisch dennoch verkraften. Denn die Debatte über Mindeststeuern für Unternehmen, harmonisiert in der gesamten EU, geht weiter.
Steuerwettbewerb soll eingeschränkt werden
Gleichtags präsentiert die EU-Kommission Vorschläge, wie sie sich künftig ein Steuer-Regime in der EU vorstellt, das fairer sein soll, nachhaltiger, also ökologischer, und letztlich gerechter. Damit verbunden ist die Absicht, unerwünschte Steuer-Schlupflöcher zu stopfen, die internationale Konzerne nutzen können, weil sie ihre Steuersitze in der EU dort ansiedeln, wo sie keine bis nur sehr tiefe Steuern bezahlen müssen.
Auf globaler Ebene ist die OECD daran, einen Werkzeugkasten zu entwickeln, der den Steuerwettbewerb einschränken soll. Auch die Schweiz wäre davon betroffen. Für die EU macht das heutige Urteil klar, dass neue EU-Gesetze nötig wären, um den Steuerwettbewerb einzudämmen.
Die Richterinnen und Richter am EU-Gerichtshof sagen indirekt nämlich auch, dass die bestehenden Gesetzesbestimmungen nicht ausreichend sind. Wollen die EU-Staaten ihre Steuerregime für internationale Grosskonzerne abstimmen, dann müssen sie neue griffige EU-Gesetze beschliessen.
Das ist ein politischer Prozess. Dieser erfordert Einstimmigkeit unter allen EU-Staaten, was nachweislich kompliziert ist. Ein solcher politischer Entscheid ist aber nachhaltiger, unabhängig vom Ergebnis.
Europas nationale Regierungen sollten solch weitreichende Entscheide nicht Richtern überlassen, sondern politisch einen demokratisch legitimierten Kompromiss suchen. Wenn sie einen solchen überhaupt anstreben.