Als erstes Land hat El Salvador der Kryptowährung Bitcoin im September den Status als gesetzliches Zahlungsmittel verliehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat den Staat nun aufgefordert, dem Bitcoin diesen Status wieder zu entziehen.
Der IWF-Vorstand betonte, mit der Verwendung von Bitcoin seien grosse Risiken verbunden: für die Finanzstabilität, die finanzielle Integrität und den Verbraucherschutz. Kryptowährungsexperte Philipp Sandner allerdings sieht nicht so schwarz.
SRF News: Können Sie – obwohl Sie ein Befürworter von Bitcoins sind – nachvollziehen, dass der IWF sich Sorgen macht, wenn ein finanziell angeschlagenes südamerikanisches Land so stark auf diese volatile Währung setzt?
Philipp Sandner: Das ist nachvollziehbar. Der IWF ist eine der grossen Institutionen des existierenden Systems, des heutigen Kapitalismus. Natürlich ist es ihm ein Dorn im Auge, wenn ein kleines südamerikanisches Land solche Experimente macht.
Der Wert eines Bitcoins hat sich seit November etwa halbiert. Wie gefährlich ist die Strategie des Präsidenten von El Salvador?
Naja, gefährlich ist die Strategie nicht. Technisch gesehen ist das Bitcoin-Netzwerk sehr stabil. Wenn der Bitcoin weiter fallen sollte, könnte es aber sein, dass die Bevölkerung nervös wird. Doch es gibt gute Gründe, warum der Bitcoin noch dieses Jahr und langfristig steigen sollte. Die Gründe dafür sind zum einen die Inflation, zum anderen, dass der Bitcoin etwas werden könnte wie digitales Gold. Deswegen es gibt hier nicht nur Risiken, sondern auch Chancen.
Welche grossen Risiken gibt es denn noch? Irgendwann ist auch nach unten Schluss.
Sie sagen, es brauche nur ein bisschen Geduld?
Dass der Bitcoin nochmal 50 Prozent abstürzt, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich würde dagegen wetten, schlüge mir jemand eine entsprechende Wette vor. Irgendwann ist auch nach unten Schluss. Welche grossen Risiken gibt es denn noch? China hat den Bitcoin verboten, das heisst, dieses Risiko hat sich materialisiert. Deutschland, die Schweiz und andere europäische Staaten haben in Bezug auf die Unterbindung von Geldwäsche mit Kryptowährung ganz tolle Fortschritte gemacht. Das System Bitcoin ist da und es bleibt da.
El Salvadors Staatspräsident Nayib Bukele will mit Bitcoins das Land umkrempeln?
Richtig. Die grosse Entscheidung ist im September gefallen. Da hat Bukele das Gesetz durch das Parlament gebracht, zunächst auf dem Papier. In den nächsten Monaten folgte die IT-Entwicklung, und der Staat hat eine App herausgegeben. Sie heisst Chivo und wurde von mehr als drei Millionen Menschen heruntergeladen. El Salvador hat 6.5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, ungefähr die Hälfte der Bevölkerung hat diese App runtergeladen. Diese Leute haben nun eine Bank in ihrer Hosentasche in Form einer App. Sie können in Dollar und in Bitcoin bezahlen, Geld aufbewahren, Geld versenden und Geld empfangen.
Allerdings erhielt jede Person, die diese App herunterlud, 30 Dollar. Für viele waren diese 30 Dollar ein Anreiz, sie runterzuladen. Sie haben sie seitdem nicht mehr genutzt. Es gibt aber auch bereits positive Effekte: Bei Familien, die ihre Angehörigen in El Salvador via das Bitcoin-Netzwerk unterstützen, gehen die Transaktionskosten zurück.
Der IWF fällt möglicherweise als Kreditgeber aus. Stattdessen springen Leute aus der Bitcoin-Community ein.
Und noch ein letzter Aspekt: In der Bitcoin-Community gibt es Leute, die sehr reich geworden sind. Die fangen vorsichtig an, in El Salvador zu investieren. Interessant ist, dass der IWF möglicherweise als Kreditgeber ausfällt. Stattdessen springen Leute aus der Bitcoin-Community ein. Das ist aus Sicht des IWF ein Albtraum.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.