- Zwischen dem Bauernverband und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann herrscht dicke Luft.
- Der Bundesrat möchte den Schweizer Grenzschutz für Agrarprodukte senken. Denn nur so könne er Freihandelsabkommen mit weiteren Ländern abschliessen, etwa in Südamerika.
- Nun plant der Wirtschaftsminister den nächsten Schritt: Ende April reist er mit einer Delegation nach Südamerika, um über ein Freihandelsabkommen zu verhandeln.
- Der Bauernverband hat seine Teilnahme an der Mercosur-Reise bereits abgesagt.
260 Millionen Menschen leben in den vier Mercosur-Ländern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Ende April reist Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann eine Woche lang dorthin. Er will weiter an einem Freihandelsabkommen verhandeln. Und: Er möchte Mitreisenden aus der Schweiz diesen 260-Millionen-Markt vor Ort zeigen, sagt er zu Radio SRF.
Er unternehme diese Exkursion mit Wissenschaftlern, Wirtschafts- und Landwirtschaftsvertretern und politisch Interessierten, führt der Bundesrat aus: «Meine Devise lautet: Je mehr Information vorhanden ist, desto weniger Ängste gibt es.»
Die südamerikanischen Bauern kochen auch nur mit Wasser.
Die Ängste: Die Schweizer Bauern verspüren Sorge – keine Reiselust. Zwar ist der Bauernverband nicht grundsätzlich gegen neue Freihandelsabkommen, befürchtet aber einen Abbau beim Grenzschutz. Bundesrat Schneider-Ammann möchte den Befürchtungen der Bauern nun entgegentreten – indem er ihnen die südamerikanische Landwirtschaft zeigt: «Die kochen auch nur mit Wasser.»
Mit anderen Worten: In Brasilien etwa existiere nicht nur Massenproduktion – umgekehrt gebe es für Schweizer Bauern durchaus Chancen, ihre Produkte nach Südamerika zu liefern.
Die EU steht vor einer Einigung
Auf der anderen Seite brauche die Schweizer Industrie dringend möglichst freien Zugang in Südamerika: Denn die EU sei mit ihren Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten einiges weiter als die Schweiz: «Wir gehen davon aus, dass die Europäische Union und Mercosur in den nächsten Tagen zu einer Vereinbarung gelangen.»
Exporteure aus der EU profitierten damit schon bald von tieferen Zöllen im Mercosur-Raum. Schweizer Firmen hätten dann kürzere Spiesse als ihre europäische Konkurrenz.
Dort eine Reise zu unternehmen, ist sicher sehr schön und sehr unterhaltsam. Aber wir möchten gerne auf der technischen Ebene hier vor Ort diskutieren.
Auch der Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes, Markus Ritter, hat eine Einladung für die Südamerika-Reise bekommen. Doch für ihn steht fest: «Wir werden daran nicht teilnehmen.»
Er kenne die Landwirtschaft in Südamerika bereits: «Dort eine Reise zu unternehmen, ist sicher sehr schön und sehr unterhaltsam. Aber wir möchten gerne auf der technischen Ebene hier vor Ort diskutieren und hier die effektiven Lösungen, die auch umgesetzt werden können, mit den Spezialisten erarbeiten.»
Und zwar mit Spezialisten in Bern – und nicht in Buenos Aires oder Sao Paulo. Es gehe um sehr konkrete, technische Fragen, wie: Welche Zugeständnisse werden von den Schweizer Bauern erwartet – und in welchen Bereichen?
Kritik von den Fleischproduzenten
Etwas anders klingt es bei Pro Viande, dem Verband der Schweizer Fleischwirtschaft mit Produzenten, Verarbeitern, Verkäufern. Zwar befürchtet man auch hier grosse negative Konsequenzen bei einem Freihandelsabkommen.
Aber – so Pro-Viande-Präsident Markus Zemp – die Fleischwirtschaft wolle auch in Südamerika mitreden: «Wir haben hier Ideen, wie man das Schlimmste verhindern könnte, und möchten das auch entsprechend früh einbringen.»
Ritters Reiseempfehlung an seinen Kollegen
Auf der Südamerika-Reise mit 50 Teilnehmern werde das kaum gelingen, ist dagegen Bauernverbands-Präsident Ritter überzeugt. Ritter gibt seinem Kollegen vom Fleischverband ein paar gute Wünsche mit auf den Weg: «Ich hoffe, er hat eine schöne Reise, kann sich die Länder, Menschen und Kultur ansehen. Er soll nicht zu viel erwarten – und aufpassen, dass er nicht für irgendwelche politischen Zwecke missbraucht wird.»
Der Streit zwischen dem Wirtschaftsminister und dem Bauernverband dauert also an. Geschlichtet wird er auch am grossen Agrar-Treffen nicht, zu dem Bundesrat Schneider-Ammann in zwei Wochen lädt: Der Bauernverband hat bereits abgesagt.