Philipp Rickenbacher bei Julius Bär, Patrick Frost bei Swiss Life und André Frei bei der Partners Group: Sie alle führen ein grosses Finanzinstitut und alle haben vor vielen Jahren an der ETH Zürich studiert.
Warum ETH-Absolventen auch für Chefpositionen bei Banken, Versicherungen und anderen Finanzhäusern interessant sind, erklärt Headhunterin Doris Aebi: «Naturwissenschaftliche Studien haben es an sich, dass man lernt, sehr analytisch und vernetzt zu denken. Und das sind natürlich gerade in Zeiten von Transformation wichtige Themen.»
Disruption erfordert neue Fähigkeiten
In der Finanzbranche werde alles komplexer, vernetzter, unsicherer, unklarer. Um die Herausforderungen, die damit einhergehen, zu meistern, brauche es neben dem Fachwissen zusätzliche Fähigkeiten, sagt Aebi. Klassischerweise sind die Chefs und Chefinnen in der Finanzbranche mit einer Ausbildung in Wirtschaft oder Recht bestückt. Diese müssten sich entsprechend weiterbilden.
Und gleiches gilt für die Chefs mit ETH-Ausbildung: «Wenn jemand einen naturwissenschaftlichen Hintergrund hat, ist es wichtig, sich über verschiedene Berufsstationen hinweg Wissen anzueignen – über Betriebswirtschaft, Strategieentwicklungen, Management und Leadership. All das prägt den Alltag eines Chefs», sagt Aebi. Das deckt sich mit den Werdegängen von Rickenbacher, Frost, Frei und andern.
Rickenbacher wollte Astronaut werden
Philipp Rickenbacher hat letztes Jahr die Leitung der Vermögensverwalterin Julius Bär übernommen. Ihn hatte selbst in der Bankenwelt kaum jemand auf dem Radar. Wohl nicht zuletzt auch, weil er eben kein klassischer «Wirtschafter» ist.
Sein Lebenslauf verrät: Er hat einen ETH-Abschluss in Bio-Technologie. Astronaut, Physiker oder Historiker seien einst seine Berufswünsche gewesen, sagt er. «Mein Weg war nicht linear. Ich habe mich nach dem Studium bei einem Beratungsunternehmen weiterentwickelt. Zur Bank kam ich aus Interesse an diesem Geschäft.»
Auch Patrick Frost ist gelernter Naturwissenschaftler mit einem ETH-Diplom. Seit 2014 leitet er den Versicherungskonzern Swiss Life. «Als ich begonnen habe zu studieren, dachte ich, es wird so sein wie bei meinen beiden Grossvätern, die beide Chemiker waren. Mein Vater war Arzt, also auch in der Forschung.»
Ein ganzes Arbeitsleben im Labor habe ihn dann aber doch nicht gereizt. Er studierte danach noch Wirtschaft und Recht und tauchte in die Finanzbranche ein.
Und auch André Frei, Co-Chef bei der Vermögensverwalterin Partners Group, ging einst durch die harte Schule der ETH. Der ausgebildete Mathematiker sagt, er habe während des Studiums keine Ahnung gehabt, wohin es ihn beruflich führen werde.
«Ich habe im Moment gelebt, statt in die Zukunft zu schauen und eine Karriere anzustreben.» Später habe er sich im Unternehmen ständig weitergebildet und die nötigen Führungskompetenzen erworben.
Chefs in der Finanzbranche mit einem ETH-Abschluss – sie bringen frischen Wind in die Unternehmen. Gerade in diesen Zeiten können sie Gold wert sein.
Denn die Coronakrise dürfte die Digitalisierung laut Experten beschleunigen. Und da ist es sicherlich von Vorteil, wenn der oberste Chef oder die oberste Chefin damit keine Berührungsängste hat.