Wieso findet gerade jetzt ein Wechsel an der Spitze der grössten Schweizer Bank, des weltweit grössten Vermögensverwalters statt? Nach neun Jahren tritt der bisherige UBS-Chef, Sergio Ermotti, ab. Bislang ging man eigentlich davon aus, dass Ermotti die Bank noch bis 2021 führen würde, um die Dekade abzuschliessen. Weshalb er die Bank vorzeitig verlässt, ist nicht bekannt. Der Tessiner hat bei der UBS zu Beginn einen guten Job gemacht. Er hat die Bank nach den Wirren der Finanzkrise stabilisiert. Die UBS ist heute der grösste Vermögensverwalter der Welt. Allerdings ist den vergangenen Jahren nicht mehr viel passiert – und aus Sicht der Aktionäre waren die UBS-Titel eine Enttäuschung.
Weshalb hat sich der Verwaltungsrat für den Holländer Hamers entschieden? Die UBS steht heute zwar robust da, gilt aber als eher langweilig. Wichtige Impulse im Bereich der Digitalisierung fehlen oder werden von aussen nicht wahrgenommen. Für den Verwaltungsrat ist es vor allem wichtig, dass die Bank Digitalisierungs-Prozesse schneller umsetzt und einen Kulturwandel in der hierarchisch – fast schon militärisch – geführten Bank in Gang setzt. Ralph Hamers gilt in der Branche als einer, der für eine solche Aufgabe den perfekten Leistungsausweis mitbringt. Der Verwaltungsrat macht mit Hamers Wahl klar: Die Bank muss sich verändern.
Welche Baustellen wird Ralph Hamers vorfinden? Das grösste Problem dürfte die Kultur innerhalb der Bank sein. Sie gilt als überheblich, Bonus-getrieben und starr. Hier wird Hamers zuerst ansetzten müssen. Er muss die bankinternen Prozesse «agiler», also beweglicher machen, um überhaupt die Digitalisierung nachhaltig in Gang zu bringen. Das heisst, er wird vor allem Hierarchien abbauen müssen. Entsprechend wird er wohl auch die Salär- und Bonussysteme anpassen müssen.
Der neue UBS-Chef Hamers war früher in Holland tätig. Welche Spuren hat er dort hinterlassen? Hamers war die vergangenen sieben Jahre Chef der ING. Eine Bank, die stark im Kleinkunden- und Kreditgeschäft verankert ist – viel stärker als die UBS. Auch die ING ist international tätig und mit ihren 55'000 Mitarbeiter nicht viel kleiner als die UBS. Hamers hatte die ING komplett umgebaut und rentabler gemacht. Dabei hat er die Organisationsstruktur verändert und Hierarchien abgebaut. Laut Hamers Aussagen in verschiedenen Finanzmedien brauche eine Bank heutzutage nicht mehr ein grosses Filialnetz, sondern vor allem gute Handy-Applikationen. Ihm schwebe so eine Art «Facebook-» oder «Google-Banking» vor. Bankkunden sollen Teil eines Netzwerkes sein, über welche sie ihre Dienstleistungen beziehen können.
Wann wird man die neue Handschrift bei der Bank erkennen können? Hamers hat sich bisher noch nicht zu seinen UBS-Plänen geäussert. Seit dem 1. September ist er bei der Bank angestellt. Er hat sich drei Monate Zeit genommen, um überall im Unternehmen ein wenig reinzuschnuppern, bevor er dann als Konzernchef operativ wird. Inwieweit Hamers seine Vorstellungen bei der UBS dann tatsächlich umsetzen kann, hängt stark davon ab, wie er das altgediente UBS-Kader mitziehen wird. Frühestens Ende November will er sich den Medien präsentieren. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass Hamers dann einen kompletten Strategiewechsel präsentieren wird. Er wird sorgfältig und mit Bedacht vorgehen, bis er eine konkrete Strategie bekannt gibt. Ein Kulturwandel braucht Zeit. Bis dieser sichtbar wird, dürfte es noch etwas dauern.