Die Schweiz muss den CO2-Ausstoss verringern. Das geschieht mehr schlecht als recht. Das liegt auch daran, dass Unternehmen mit einem hohen CO2-Ausstoss bis jetzt wenig Anreize hatten, diesen zu senken. Denn das Emissionshandelssystem hat bis heute weitgehend versagt: Der Gesetzgeber war zu grosszügig mit der Industrie. Das wird sich mit der Eintritt der Schweiz in das Emissionshandelssystem der EU ändern.
Warum das Emissionshandelssystem versagt hat
Das Emissionshandelssystem (EHS) funktioniert nach dem Prinzip «Cap and Trade». Der «Cap» legt die maximale Menge CO2 fest, die Unternehmen ausstossen dürfen. Dafür erhalten sie Emissionszertifikate. Unternehmen, die relativ wenig CO2 ausstossen, können überschüssige Zertifikate an andere verkaufen, die einen hohen Ausstoss haben.
Der «Trade», das Spiel zwischen Angebot und Nachfrage, bestimmt den Preis. Da der Gesetzgeber aber viel zu viele Zertifikate an die Unternehmen verteilte und grösstenteils gratis vergab, entwickelte sich kaum eine Nachfrage und somit auch wenig Handel.
Wie Holcim profitiert
Wie lax das EHS aufgestellt ist, zeigt sich am grössten Schweizer Emittenten von CO2. Zementhersteller Holcim gelang es, in den vergangenen Jahren grosse Mengen an Gratiszertifikaten anzuhäufen.
Jetzt, da die Schweiz Teil des europäischen EHS ist, will der Konzern die Zertifikate zu Geld machen. Den Erlös wird Holcim dazu einsetzen, umweltfreundlicher zu produzieren. Das ist ganz im Sinne des Gesetzgebers. Allerdings wird damit die Marktlenkungs-Abgabe zu einer Marktlenkungs-Subvention.
Warum es besser werden könnte
Seit Anfang Jahr gehört die Schweiz zum Emissionshandelssystem (EHS) der EU. Die Preise für die Zertifikate sind in der EU deutlich höher, die Regeln werden ab 2021 deutlich strenger. So soll etwa der Cap schneller abgesenkt werden als bisher.
Es besteht daher die Chance, dass das EHS acht Jahre nach seiner Einführung in der Schweiz endlich wirkt, sprich: den Umbau der Industrie zu einer umweltfreundlicheren Produktion fördert.
In Deutschland zeigte es vergangenes Jahr bereits erste Wirkung. Die höheren Preise für Zertifikate haben die Kohle massiv verteuert. In der Folge hat der Anteil der Kohle in der Stromproduktion um ein Viertel abgenommen und ist durch Gas und Windkraft ersetzt worden. Deutschland konnte so den CO2-Ausstoss massiv senken.
Was der Gesetzgeber sagt
Sophie Wenger, Expertin für Emissionshandel im Bundesamt für Umwelt, hat den Gesetzgebungsprozess begleitet.
Sie hält die hohen kostenlosen Zuteilungen von Zertifikaten an Holcim für gerechtfertigt. Es zeige, wie effizient das Unternehmen Zement produziere. Auch dass die Caps im EHS generell viel zu hoch waren, lässt sie nicht gelten. Man habe sich an der EU orientiert, denn es sei von Anfang Absicht gewesen, die beiden Handelssysteme so rasch wie möglich zusammenzuführen.
Immerhin spricht sie von einem Lernprozess, den der Gesetzgeber durchgemacht habe. Auch begrüsst sie die raschere Absenkung des Caps ab 2020. Zudem habe die EU neu die Möglichkeit, überschüssige Zertifikate aus dem Markt zu nehmen.
Swiss: Wenig begeistert vom EHS
Mit dem Eintritt der Schweiz ins EHS der EU sind auch die Schweizer Fluggesellschaften betroffen. Für Swiss ein Ärgernis, denn die Fluggesellschaft verliert ihre privilegierte Stellung als Hub auf Interkontinentalflügen. «Das wird uns ein Kostenblock auferlegen, der eine gewisse Wettbewerbsverzerrung mit sich bringt. Unsere Konkurrenten ausserhalb Europas müssen diese Kosten nicht tragen», sagt Jean-Pierre Tappy, zuständig bei der Swiss für Umwelt und Verkehrsrechte.
Fliegt ein Passagier beispielsweise von Lissabon über Zürich nach Shanghai, wird der innereuropäische Flug neu aufgrund des EHS mit Mehrkosten belastet. Türkische oder arabische Airlines, welche in Istanbul oder Abu Dhabi zwischenlanden, haben diese Mehrkosten nicht.
Swiss beziffert die Mehrkosten auf 20 Millionen Franken pro Jahr. Als regionales System ist das EHS ungeeignet für die weltumspannende Luftfahrt. Es verzerrt den Wettbewerb und bindet den Interkontinentalverkehr nicht ein. Dem Klima hilft das wenig. Für die Luftfahrt ist das EHS daher höchstens eine Übergangslösung.