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Corona schwächt Kunstmarkt Galerien brechen die Umsätze weg

Ohne «Art Basel» steht die Kunstwelt beinahe still. Dabei werden im Kunstmarkt eigentlich Milliarden umgesetzt.

Die «Art Basel» wurde auf September verschoben – ob sie wirklich physisch stattfinden kann, weiss derzeit niemand.

Dasselbe gilt für Kunstmessen wie «Frieze London» oder «Fiac Paris» im Oktober.

Hälfte des Umsatzes auf Messen

Für Victor Gisler, Gründer und Inhaber der auf Gegenwartskunst ausgerichteten Galerie «Mai 36» in der Nähe des Zürcher Kunsthauses, ist das eine schwierige Situation.

In einem guten Jahr erziele er die Hälfte seines Umsatzes an den acht bis zehn Messen, an denen er teilnehme: «Für uns ist das sehr, sehr wichtig. Und natürlich auch für die Künstler, weil wir auf den Messen unterschiedliche Künstler in unterschiedlichen Märkten bewerben und anbieten können.»

Während seine Galerie geschlossen war, versendete er jede Woche einen Newsletter, in dem er jeweils ein Werk beschrieb und zum Verkauf anbot.

Das kam gut an: «Im Moment ist es so, dass wir wirklich von den loyalen Sammlern leben.»

Um über die Runden zu kommen, schickte er seine rund zehn Angestellten zu Beginn der Krise in Kurzarbeit und beantragte einen Corona-Kredit.

«Art Basel»: 30 Prozent des Jahresumsatzes

Ebenso reagierte Eva Presenhuber, Inhaberin der gleichnamigen Galerie mit Ablegern in Zürich und New York.

Auch ihre knapp 20 Angestellten arbeiten kurz, und beim Corona-Kredit griff sie ebenfalls zu: «So billige Kredite kriegt man ja sonst nicht mehr, natürlich nehmen wir die in Anspruch!»

Bilder in Galerie
Legende: Eröffnet und gleich wieder geschlossen: Die Ausstellung des US-Künstlers Josh Smith in der Galerie «Eva Presenhuber». SRF

Ihr macht vor allem der Ausfall der «Art Basel» zu schaffen: «Art Basel macht nicht nur für mich, sondern für alle Galerien 30 Prozent vom Jahresumsatz aus. Ich nenne jetzt keine Zahlen, aber 30 Prozent ist viel.»

Künstler konnten Rücklagen bilden

Um die Mehrheit ihrer Künstlerinnen und Künstler macht sich Eva Presenhuber derzeit wenig Sorgen: Die meisten hätten in den vergangenen Jahren Rücklagen bilden können, von denen sie jetzt zehren könnten.

Das kommt ihr entgegen, denn ihre Kundschaft verhält sich bisher zurückhaltend. Viele ihrer Klienten führten grosse Firmen und seien selber mit der Bewältigung der Corona-Krise beschäftigt: «Gewisse haben sich zurückgemeldet und haben auch gekauft.»

Kunstwerk, auf dem Menschen mit Hüten abgebildet sind.
Legende: «Portraits with Hats»: Kunstwerk des Schweizers Nicolas Party, letztes Jahr zu sehen an der Art Basel. Keystone

Doch das sei marginal: «Es reicht vielleicht, um Mieten und Gehälter zu zahlen. Aber es gibt sicher keine Gewinne.»

64 Milliarden US-Dollar für Kunst

Weltweit werden Milliarden von Dollar mit Kunst umgesetzt. Allein vergangenes Jahr gaben Sammlerinnen und Investoren laut dem Art Market Report der «Art Basel» und der UBS für Kunst und Antiquitäten rund 64 Milliarden US-Dollar aus.

Der Anteil der Schweiz am weltweiten Kunstmarkt beträgt zwei Prozent – gleichviel wie Deutschland. Führend sind die USA mit 44 Prozent, gefolgt von Grossbritannien mit 20 und China mit 18 Prozent.

Jutta Nixdorf, Geschäftsführerin von Christie’s Zürich, beschreibt die Schweizer Sammlerinnen und Sammler als ausgesprochen langfristig orientiert.

Oft werde Kunst in der Familie über Generationen hinweg weitergeben: «Sie sind sehr fundiert in ihrem Wissen, sehr klar in dem, was sie haben möchten: Sehr selbstbewusst, wenn es darum geht, auch sehr hohe Preise für Objekte zu bezahlen, weil man sich kundig gemacht hat und genau weiss, was man möchte.»

«Ein Drittel der Galerien wird das Ende der Krise nicht erleben»

Box aufklappen Box zuklappen

Kleine Galerien werden besonders in die Bredouille kommen, befürchtet Andreas Ritter, Geschäftsführer des Verbands Kunstmarkt Schweiz. Im Interview mit «ECO» äussert er Kritik in Richtung des Bundes. Die Bildende Kunst werde dort kaum wahrgenommen.

SRF: Für grosse Galerien ist die Situation schwierig. Die meisten Schweizer Galerien sind aber eher klein. Wie geht es diesen?

Andreas Ritter: Für die Grossen wird es schwierig, für die Kleinen wird es sicher noch schwieriger.

Die Krise hat voll eingeschlagen auf die Kunstmarkt-Teilnehmer. Die Galeristen mussten Mitte März unvermittelt von einem Tag auf den anderen schliessen.

Zwischenzeitlich dürfen sie zwar wieder offen halten, aber an eine Vernissage ist selbstverständlich nicht zu denken.

Muss man mit einem Galerien-Sterben in der Schweiz rechnen?

Die Galerien sind sehr abhängig von den Messen. Auch ich würde sagen, dass 50 Prozent des Umsatzes pro Jahr den Messen geschuldet ist.

Es gibt internationale Studien – in der Schweiz haben wir leider nichts Vorliegendes –, die sagen, 70 Prozent des Umsatzes werden wegbrechen.

Und ich habe in der Tat die Befürchtung, dass, wenn wir nicht eingreifen, ein Drittel der Programm-Galerien das Ende der Krise nicht erleben.

Hatten wir nicht auch zu viele Galerien, und jetzt gibt es Strukturbereinigung?

Das ist eine berechtigte Frage. Ich würde es so sagen: Die Schere ist immer weiter aufgegangen zwischen den international tätigen Grossgalerien, auch den Auktionshäusern, und den klassischen Programm-Galerien. Letztere haben aber eine enorm wichtige Funktion im Kunstmarkt.

Was mich sehr besorgt, ist die Wahrnehmung in der politischen Landschaft. Ein Beispiel: Wir konnten eine Vernehmlassung erreichen für die so genannte Kulturbotschaft. Ich habe mir die Mühe gemacht, Begriffe zu zählen; also: Was versteht der Bund unter den verschiedenen Kultursparten?

Und es ist doch signifikant, wenn 80 Mal der Begriff Musik auftaucht, 40 Mal Tanz, 40 Mal Theater, 20 oder 30 Mal Games, 12 Mal Film, und jetzt dürfen Sie raten, wie oft die Bildende Kunst vorkommt. Ein einziges Mal. Da stimmt etwas nicht.

Es braucht also mehr politische Unterstützung auch für die Bildende Kunst?

Ja. Das ist uns ein grosses Anliegen. Deshalb sind wir im Gespräch mit dem Bundesamt für Kultur. In den Covid-19-Massnahmen für den Kulturbereich wurde in einem Federstrich gesagt, Kunst- und Antiquitätenhandel seien ausgenommen. Und das ist meines Erachtens viel zu wenig differenziert.

Andreas Ritter ist Geschäftsführer des Verbandes Kunstmarkt Schweiz. Zudem ist er als Anwalt auf Kunstrecht spezialisiert.

Das Interview führte Reto Lipp.

Konsequenzen hoher Preise

Hohe Preise auf dem Kunstmarkt können unliebsame Konsequenzen für Kunstmuseen zur Folge haben.

«Wenn man sich die letzten zehn, zwanzig Jahre anschaut, gab es eine richtige Explosion der Werte auf dem Kunstmarkt – vor allem in einem bestimmten Segment von Künstlerinnen und Künstlern», sagt Nina Zimmer, Direktorin des Kunstmuseums Bern.

«Das bedeutet für uns, dass sich die Versicherungssummen sehr stark erhöht haben und einen grossen Druck auf unsere Ausstellungsbudgets ausüben. Bei bestimmten Künstlern müssen wir uns inzwischen sehr gut überlegen, ob wir uns eine Einzelausstellung überhaupt noch leisten können.»

Die meisten europäischen Staaten kennen Staatsgarantien für die Museen.

In der Schweiz hingegen müssen sie sich selber versichern. Entsprechend abhängig sind Schweizer Kunstmuseen von der Preisentwicklung auf dem Kunstmarkt.

Kunstmarkt: Korrekturen nötig

Eva Presenhuber teilt die Ansicht, dass der Kunstmarkt Korrekturen nötig habe, weil er vollkommen aus dem Ruder gelaufen sei: «Vor allem durch die Auktionen oder das komische Featuren von zehn Künstlern, die angeblich die wichtigsten lebenden Künstler der Welt sein sollten – das finde ich alles sehr degoutant», sagt sie, deren Galerie zu den weltweit wichtigsten zählt.

Gleichzeitig relativiert sie: «Es war ja schon zu Zeiten von Rembrandt so, es war zu Zeiten von Picasso so und es ist bis heute so.» Deshalb sei es wichtig, sich vor Augen zu halten, welches die wirklichen Krisen seien – nämlich die Umwelt und soziale Ungerechtigkeit.

ECO, 25.5.2020, 22:25 Uhr

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