Gäbe es in der Schweiz die Kurzarbeitsentschädigung nicht, so müsste man sie spätestens jetzt erfinden: für eine akute, aber absehbar vorübergehende Krise. Für eine Situation, in der die Kundschaft nur zeitweilig ausbleibt. Bis das Virus unter Kontrolle ist.
So verwundert es nicht, dass der Arbeitsmarkt-Verantwortliche des Seco an der heutigen Coronavirus-Medienkonferenz des Bundes das Instrument der Kurzarbeit in Erinnerung gerufen hat.
Kurzarbeit scheint für heutige Situation wie gemacht
Kurzarbeit soll Arbeitsplätze erhalten, wenn plötzlich und unvorhersehbar die Einnahmen fehlen. Sie soll verhindern, dass ein Unternehmen wertvolle Mitarbeitende mit viel Know-how wegen eines Nachfrageeinbruchs entlassen muss. Um kurz darauf wieder neue Unerfahrene einstellen zu müssen.
Für Situationen wie die aktuelle scheint Kurzarbeit wie gemacht. Kurzarbeit hilft, wo etwa Bestandteile aus dem Ausland für die Montage in der Schweiz nicht geliefert werden können. Wo Lieferketten unterbrochen sind und die Beschäftigten deshalb untätig herumsitzen müssten. Dort kann ein Unternehmen, wenn auch die Arbeitnehmenden einverstanden sind, Kurzarbeitsentschädigung beantragen. Diese deckt dann 80 Prozent des Lohnes für die ausgefallenen Arbeitsstunden, falls keine andere Versicherung diesen deckt.
Temporär-Angestellte und Selbständige aussen vor
Das Verbot grösserer Veranstaltungen durch den Bund macht manchen wirtschaftlich schwer zu schaffen: Den Veranstaltern selbst, aber auch jenen, die auftreten sollten; jenen, die die Technik liefern, die Verpflegung, für die Sicherheit sorgen. Doch ausgerechnet diesen von ausfallenden Arbeitsstunden Betroffenen bleibt die Kurzarbeitsentschädigung meist verwehrt.
Eine Kurzarbeitsentschädigung hat nur zugute, wer unbefristete Arbeitsverhältnisse anbietet. Das ist gerade in der Event-Branche selten der Fall. Wer am Autosalon arbeitet, tut dies für die Dauer des Anlasses. Auftretende sind oft Selbständige. Kurzarbeit hilft auch dem Familienbetrieb in der Gastronomie oder Hotellerie kaum, dem die Fasnächtler fehlen. Oder jenem, der auf die Fussball- oder Hockeyfans verzichten muss, oder auf die ausländischen Gäste. Wer einen Betrieb selber führt, kann für sich keine Kurzarbeit beantragen, auch für Familienmitglieder nicht, höchstens für unbefristet Angestellte.
Die Massnahmen des Bundes zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit könnten gewisse Betriebe in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährden. Natürlich unbeabsichtigt. Und aus Sicht der Betriebe unverschuldet. Weil ihnen wegen vorübergehend fehlender Einnahmen das Geld für die Löhne fehlt, die Liquidität versiegt.
Gelockerte Bedingungen?
Dauern die behördlichen Einschränkungen länger an, und danach sieht es wohl aus, bräuchten sie Unterstützung, um sie vor dem Untergang zu bewahren: eine Unterstützung im Geiste der Kurzarbeitsentschädigung, aber mit vorübergehend gelockerten Bedingungen. Ohne die Einschränkungen für befristet Angestellte, Familienbetriebe oder Selbständige. Fraglich ist, ob sich diese Gruppen in der Politik genügend Gehör verschaffen können.
Tagesschau, 04.03.2020, 19.30 Uhr; frol