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Credit Suisse unter Druck Die Bussen-Sammlerin

Keine Schweizer Bank ist seit der Finanzkrise wegen rechtlichen Auseinandersetzungen stärker zur Kasse gebeten worden als die Credit Suisse.

Keine Schweizer Bank ist seit der Finanzkrise wegen rechtlichen Auseinandersetzungen stärker zur Kasse gebeten worden als die Credit Suisse.

Zuletzt hat sich die Grossbank diese Woche auf einen Vergleich geeinigt mit der Generalstaatsanwaltschaft des US-Bundesstaats New Jersey im Zusammenhang mit dem Wohnbauhypothekengeschäft. Die Bank bezahlt 492 Millionen Schweizer Franken für das Ende eines jahrelangen Rechtsstreits.

SRF News hat alle Meldungen über Bussen, Vergleichs- und Schadenersatzzahlungen der vergangenen zehn Jahre der Credit Suisse zusammengezählt. Insgesamt sind es etwa zwölf Milliarden Franken.

So hat SRF News gezählt

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Summiert wurden Zahlungen für Bussen, Vergleiche oder Schadenersatz, die gemäss aktuellen Recherchen in den vergangenen zehn Jahren entstanden sind. Die Informationen stammen aus öffentlichen Quellen wie Geschäftsberichten, Medienmitteilungen, Publikationen wie Tagesanzeiger, NZZ, Finanz und Wirtschaft, Financial Times, Wallstreet Journal und andere internationale Zeitungen. Hinzu kommen die Gerichtsentscheide aus Bermuda und dem Bundesstrafgericht in Bellinzona sowie Informationen der Website Violation Tracker.

Hohe Bussen sind im Bankengeschäft nicht unüblich. Verschiedene Schweizer Finanzinstitute haben in den vergangenen zehn Jahren sehr hohe Bussen bezahlt, beispielsweise Julius Bär oder auch die UBS im Zusammenhang mit Steuerstreitigkeiten in den USA oder unlängst mit Frankreich. Sie erreichen aber nicht annähernd die Werte der Credit Suisse.

Die viel grössere UBS kommt im gleichen Zeitraum auf rund 6.4 Milliarden Franken an zweiter Stelle. Zahlungsverpflichtungen dürften bei der CS wohl nicht so bald enden: Für noch hängige Rechtsfälle hat die Grossbank weitere 1.5 Milliarden Franken zurückgestellt.

So reagiert die Credit Suisse:

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Viele der Verfehlungen der CS sind auf ein ungenügendes Risiko-Management zurückzuführen. Die neue Führung unter Präsident Axel Lehmann und Konzernchef Ulrich Körner ist derzeit daran, die Strategie der Bank grundlegend zu überprüfen. Am 27. Oktober 2022 will sie die Öffentlichkeit informieren, wie die Bank neu organisiert und aus der Krise geführt werden soll. Gegenüber SRF sagt die CS:

«Die Credit Suisse will vergangenheitsbezogene Probleme konsequent abarbeiten und juristische Altlasten einer Lösung zuführen, um sich auf die disziplinierte Umsetzung der künftigen Geschäftsstrategie zu fokussieren. Höchste Priorität hat dabei das Risikomanagement, und wir werden die Compliance- und Kontrollsysteme über alle Bereiche hinweg weiter stärken.»

Auffällig sind die aussergewöhnlichen, international aufsehenerregenden Straffälle, in welche die Credit Suisse verstrickt ist. Die folgenden drei Fälle sind selbst nach jahrelangen rechtlichen Auseinandersetzungen immer noch nicht vollständig abgeschlossen:

Über 100 Millionen Franken Drogengeld sollen zwei Bulgaren in Koffern nach Zürich getragen und gewaschen haben.  

Ein Vermögensverwalter konnte unbehelligt die Bank und ihre Kunden hintergehen. Jahrelang hatte dieser CS-Banker interne Regeln missachtet, ohne dass seine Vorgesetzten eingeschritten wären.   

Betrügerische Banker konnten vorbei an der internen Aufsicht der Credit Suisse einen Milliardenkredit für Mozambique zur Verfügung stellen, ohne dass jemand davon wusste. Millionen flossen dabei in die Taschen korrupter Staatsangestellter und CS-Banker. Die Kredite trieben das Land in die Zahlungsunfähigkeit. 

Geldwäsche am Paradeplatz

Blick über die bulgarische Hauptstadt Sofia
Legende: Sofia, Bulgarien: Die Credit Suisse hat laut Bundesanwaltschaft über 100 Millionen Franken bulgarisches Drogengeld gewaschen. imago images/Robert Harding

Mai 2005. Konstantin Dichliew und seine Frau wollen nach einem Restaurantbesuch nach Hause fahren. Doch dazu kommen sie nicht mehr. Als der 28-Jährige in seinen Jeep steigen will, streckt ihn ein Auftragskiller mit zehn Schüssen nieder.   

Dichliew war Finanzchef und Freund von Evelin Banew, dem unangefochtenen Kokainkönig von Sofia. Aufgeklärt habe man den Mord nie, berichtete die NZZ, doch seien in den bulgarischen Medien sehr bald Spekulationen aufgetaucht, wonach Banew seinen Freund habe ermorden lassen. Die beiden hätten sich über die Aufteilung von Drogengeld nicht einigen können, welches sie bei der Credit Suisse in Zürich waschen liessen.   

Banev und Dichliew kamen regelmässig nach Zürich. Sie trugen ihr Drogengeld in Koffern oder Taschen mit – meist gebrauchte und nicht gebündelte Euro-Noten. Einige der Euro-Noten seien sogar gefälscht gewesen, schreibt die Bundesanwaltschaft. Über 100 Millionen Schweizer Franken seien bei der Credit Suisse gewaschen worden. Im Juni 2005 – einen Monat nach dem Mord an Dischliew – gewährte die Credit Suisse Banew noch einen Kredit über zehn Millionen Franken, angeblich für ein Immobilien-Projekt in Bulgarien.  

Polizisten führen Banew ab
Legende: Der «Kokainkönig von Sofia»: Evelin Banew bei seiner Verhaftung in Kiew im Jahr 2001. afp/Dimitar Kyosemarliev

 Die Kundenberaterin, die die beiden betreut hatte, stammte ebenso aus Bulgarien. Sie hat eine Sportkarriere hinter sich und kam per Zufall in das Vermögensverwaltungsgeschäft. Sie heuerte ursprünglich bei der UBS an, bekam eine Einführung im Private-Banking und wechselte später zur Credit Suisse, wo sie für Banew zuständig war.  

 Ende Juni sprach das Bundesstrafgericht in Bellinzona die Credit Suisse wegen gravierender Mängel bei der Geldwäschereibekämpfung schuldig. Die Bank habe nicht nur bei der Führung der Kundenbeziehung versagt, versagt habe auch der gesamte Rechtsdienst, die Compliance als auch die Vorgesetzten von einer beschuldigten Bankmitarbeiterin, welche Banev betreut hatte.   

Die Kundenmitarbeiterin wurde wegen qualifizierter Geldwäscherei verurteilt und erhielt eine bedingte Geldstrafe sowie eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten. Die Credit Suisse wurde aufgrund der internen Mängel, die den Abzug der Vermögenswerte der kriminellen Organisation ermöglichte, zu einer Busse von zwei Millionen Franken verurteilt. Die Credit Suisse weist sämtliche Vorwürfe zurück. Sie sei von der Unschuld der ehemaligen Mitarbeiterin überzeugt. Die Bank hat umgehend Berufung gegen das Urteil eingelegt.  

Der Russen-Banker

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre, hatten die Schweizer Banken immer mehr russische und osteuropäische Superreiche im Visier, die sie als Kunden wollten. Entsprechend wurde Personal gesucht, das deren Sprachen mächtig war – auf Teufel komm raus.  Für Patrice L. ein Glücksfall.  

Patrice L. leitete die Niederlassung des Kosmetik-Herstellers Yves Rocher in Vostok, Russland. Mitarbeiter beschrieben ihn als vorsichtige, sorgfältige Führungsperson, fast schon pedantisch.  Er sei ein guter Verkäufer gewesen mit einem hervorragenden Netzwerk – und er sprach fliessend Russisch.  

 Wie er anfangs der Nullerjahre zur Vermögensverwaltung der Credit Suisse kam, ist nicht dokumentiert.  Was man weiss, ist, der beflissene L. stieg sehr schnell auf. Schon nach kurzer Zeit verwaltete er ein Portfolio von 1,6 Milliarden Dollar und spielte für die Bank regelmässig Dutzende von Millionen an Provisionen ein.  Bald erhielt er intern den Übernahmen «Russen-Banker».  

Patrice L. verdiente nicht nur Millionen, er genoss auch Narrenfreiheit in der Bank. Regelverstösse blieben ungeahndet, obwohl die Vorgesetzten davon wussten. Es gab sogar interne Warnungen, dass etwas nicht stimmen könne. Auch diese bleiben folgenlos. Das änderte sich schlagartig, als 2015 ans Licht kam, dass der vermeintlich erfolgreiche Russen-Banker auf Kosten seiner Kunden Millionen verzockte.

Juwelen für die Frau

Vor Gericht räumte L. später ein, bereits 2008 Geld zwischen seinen Kunden hin- und hergeschoben, um Verluste an der Börse zu vertuschen. Das hielt ihn gemäss Bloomberg nicht davon ab, mit dem Kundenvermögen Juwelen für seine Frau zu kaufen und Kundengelder auf eigene Konten zu verschieben. Insgesamt soll er über 30 Millionen Franken ergaunert haben, 22 Millionen stellte die Genfer Staatsanwaltschaft sicher.  

Patrice L. wurde 2018 wegen Urkundenfälschung und Betrug zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Im Sommer 2020 nahm er sich das Leben – er wurde 57 Jahre alt.  

 Die Credit Suisse weist die Verantwortung von sich. Sie sagt, L. sei ein Einzeltäter gewesen, der nicht nur die Kunden, sondern auch die Bank hinters Licht geführt habe. Die Genfer Staatsanwaltschaft führt eine Untersuchung gegen die Bank wegen Geldwäscherei. Die Bank weist solche Vorwürfe zurück.

Porträtaufnahme Bizdina Ivanishvili
Legende: Einer von Patrice L.'s Kunden: Bizdina Ivanishvili, der ehemalige Präsident Georgiens. Er hat die Credit Suisse auf Schadenersatz in der Höhe von 600 Millionen Dollar verklagt. Im Mai 2022 gab ihm das oberste Gericht auf den Bermudas recht. Die Bank hat das Urteil weitergezogen. Reuters/David Mdzinarishvili

Der Thunfisch-Betrug

Patrouillenboote auf dem Hafengelände
Legende: Maputo, Mozambique: Patrouillenboote liegen ungenutzt auf dem Trockenen, 500 Millionen verschwinden, 200 Millionen sickern in die Taschen korrupter Beamten. AFP/Adrien Barbier

Die Anklageschrift des US-Justizministeriums vom März 2019 spricht Klartext: Geldwäscherei, Betrug und Korruption. Mittendrin: Die Credit Suisse. Angeklagt sind drei ehemalige Investment-Banker der Grossbank und weitere Personen wie der ehemalige Finanzminister aus Mozambique. 

Zwei-Milliarden-Kredit von dem keiner etwas wissen will

Etwa sechs Jahre zuvor zeichnete die Schweizer Grossbank als Teil eines Konsortiums, rund eine Milliarde eines Zwei-Milliarden-Kredits an Mozambique, von dem auf offizieller Seite niemand wusste: der IWF nicht, und auch die Staatsbank und das Parlament von Mozambique nicht. Dennoch verfügte der Kredit über eine Staatsgarantie.  

Der Geheim-Kredit floss an drei diffuse Firmen, die eine Thunfischflotte hätten aufbauen sollen. Dazu gehörten auch mehrere Patrouillenboote für die Küstenwache. Die Milliarden sollten dazu dienen, den lukrativen Thunfischfang zu fördern und somit dem verarmten Land einen wirtschaftlichen Aufschwung zu ermöglichen.  

Doch es kam anders: Die gelieferten Schiffe waren nicht hochseetauglich und rosten heute im Hafen von Maputo vor sich hin. 500 Millionen der zwei Milliarden sind spurlos verschwunden. Weitere 200 Millionen versickerten in den Taschen korrupter Beamten.  

Die drei Investment-Banker der Credit Suisse nutzen die Kredite, um sich zu bereichern. Der Kopf dahinter war der neuseeländische CS-Investmentbanker Andrew Pearse. Er und die drei anderen CS-Banker haben gestanden. Die Grossbank sieht sich von ihren drei Angestellten hinters Licht geführt.  

 Als Folge davon konnte Mozambique den zahlreichen Investoren die Zinsen der sogenannten Thunfisch-Anleihen, die über eine Staatsgarantie verfügten, nicht mehr bedienen. Der afrikanische Staat wurde zahlungsunfähig.  

Andrew Pearse
Legende: Geständiger Drahtzieher: Der CS-Investmentbanker Andrew Pearse. Getty Images/Chris Ratcliff

Anstatt des erhofften wirtschaftlichen Aufschwungs explodierte der Schuldenberg. Die angewachsene Schuldenlast aufgrund des Kredits hat gemäss Untersuchungen zusätzlich 1,9 Millionen Menschen in Mozambique in die Armut getrieben.   

Millionen-Busse, Schuldenerlass und Schadenersatzklagen

 Die Credit Suisse räumte Fehler ein, zahlte eine Busse in der Höhe von 475 Millionen US-Dollar an das amerikanische Justizministerium und schloss mit der amerikanischen, britischen und schweizerischen Aufsichtsbehörde einen Vergleich, um laufende Untersuchungen zu beenden. Gleichzeitig erliess sie dem gebeutelten Land Schulden in der Höhe 200 Millionen US-Dollar.   

Doch damit sind die Rechtsstreitigkeiten nicht abgeschlossen. Die Credit Suisse sieht sich weiterhin mit Schadenersatzklagen aus Mozambique konfrontiert. Wie das Online-Portal Finews schreibt, ist in London für September 2022 noch eine Zivilklage angesetzt. Investoren fordern von den Kreditgebern 622 Millionen Dollar zurück, die sie durch die Thunfisch-Anleihen verloren hätten.  

Impressum

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Legende: Keystone

Pascal Schumacher, Roland Specker (Redaktion), Robert Salzer, Jonas Glatthard (Frontendentwicklung), Ulrich Krüger (Design)

SRF 4 News, 17.10.2022, 06.00 Uhr ; 

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